press-schlag : „Nein, nicht gut“: Der Fußball kommentiert den Krieg
Bombenschüsse und solches Zeug
Einer der größten Übelstände des modernen Fußballs besteht darin, dass die Akteure ständig um Meinung gefragt werden. Dass man glaubt, sie hätten eine, jedenfalls eine für die Öffentlichkeit, und dass Zitate der fußballernden Gemeinde, möglichst noch exklusiv, zu einer authentischen Reportage gehören wie der Ball ins Tor.
Manche Kicker haben auch was zu sagen, aber ihnen wurde in Rhetorikkursen und küchenjuristischen Gefahrenabwehrseminaren beigebogen, dass jedes „Ja, gut …“ und andere tätigkeitsspezifische Erkenntnisse jederzeit gegen sie verwendet werden können. Jetzt aber ist Krieg. Da lauschen wir den Fußballschaffenden mehr denn je.
Philosoph Franz Beckenbauer gab vor: „Krieg ist immer ein Verlust.“ Und: „Krieg ist eine Niederlage der Menschheit.“ Tröstend hinterher: „Das Leben geht weiter.“ Auch die Playstation-Generation auf Schraubstollen gibt sich vereinzelt betroffen. Der Cottbuser Ungar Zsolt Löw: „Was da passiert, ist großer Mist.“ Kölns Dirk Lottner erstligareif: „Krieg ist nie eine Lösung“. Christian Beeck aus Cottbus: „Wir leben doch nicht mehr unter den Jägern und Sammlern, sondern in einem zivilisierten Zeitalter, in dem man sich nicht mit Bomben und solchem Zeugs bewerfen muss.“
Pikant sind Nationalitätskonflikte. Gregg Berhalter, Cottbuser US-Boy, will mit Äußerungen „besonders vorsichtig sein“. Und wurde gleich recht eindeutig, als er euphemistisch vom „Irakkonflikt“ sprach, von dem er hoffe, dass er keinen „negativen Einfluss auf das Miteinander in der Mannschaft hat“. Das hoffen die Menschen in Bagdad vermutlich auch. Christian Beeck sagt, für Berhalter sei „das Ganze auch nicht einfach“. Dito für Robert Pires. Der schlug tapfer vor, vorläufig „nicht mehr zu spielen, um zu zeigen, dass wir gegen den Krieg und gegen die Amerikaner sind“. Nur, was ist mit den kriegsgeilen Blair-Briten? Pires spielt bei den „Kanonieren“ von Arsenal London und ist so ein feiger Frog-Franzose.
In Bremen ließen die Kicker 99 weiße Luftballons steigen und hielten eine Schweigeminute von 30 Sekunden ab. Dann ist überall wieder der Ball gerollt. Und die Reporter reportierten aus ihren Rashid-Hotels hoch oben auf den Tribünen von Bombenschüssen, Granaten, Angriffen und Attacken.
Auch Gladbach hat lustvoll gewonnen; wobei wir lesen, der Bökelberg sei „wieder zur Festung geworden“. Auch das friedensbewegte Ligagewissen Ewald Lienen sah wieder „bedingungslosen Einsatz“ und war „sehr zufrieden“. Übrigens: HSV-Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer wollte den Spieltag komplett abgesagt sehen: „Manchmal wünsche ich mir mehr Sensibilität.“ Die DFL aber bockte: „Es gab nicht eine Stimme, die Kritik an der Ansetzung geübt hat.“ Was uns das alles sagt? Mit ohne Fußball ist und wäre die Welt auch nicht besser.
BERND MÜLLENDER