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Archiv-Artikel

portrait Der kurze Weg von lechts nach rinks

Am 10. April, Ostern 1968, ein paar Stunden nach dem Attentat auf Rudi Dutschke, saßen 2.000 Studenten fassungslos im Audimax der FU. Dann redete Bernd Rabehl, Dutschkes Freund. Es war eine wütende Rede: „Der wirkliche Schuldige heißt Springer“, rief er. Abends marschierten 5.000 zum Springer-Hochhaus – es war der Beginn des deutschen „Mai 68“.

Dreißig Jahre später, 1998, hielt Rabehl wieder eine wirkungsvolle Rede, jedoch vor anderem Publikum: der schlagenden Verbindung Danubia. Rabehl malte ein Horrorszenario, in dem Deutschland von Ausländern überfremdet wird.

Nach der Danubia-Rede schüttelten manche Exgenossen ratlos den Kopf. So reaktionär Rabehls Denken war – es war immerhin noch lesbar als verzweifelte Suche nach einem revolutionären Subjekt, das nun nicht mehr Proletariat hieß, sondern Volk. Das besorgte Kopfschütteln der Wohlmeinenden ist inzwischen verschwunden, weil Rabehl sich starrsinnig radikalisiert. Im März gab er dem NPD-Blatt Deutsche Stimme ein Interview, mit dem er sich endgültig ins Aus manövriert hat. Dort fantasiert er die NPD als Nachfolger der APO – eine Spiegelung seiner eigenen Verwandlung vom Linksradikalen in einen völkischen Rechten. Die FU Berlin will dem 66-jährigen Politologen nun die Lehrerlaubnis entziehen.

Fragt sich, ob Rabehl den Adel, sanktioniert zu werden, verdient hat. Seine Ideen, etwa der Vergleich des NPD-Gründers von Thadden mit De Gaulle, sind schlicht nicht satisfaktionsfähig. Interessant ist nur die Frage, was ihn antreibt. Ist er ein Wirrkopf? Oder ein typischer deutscher Gelehrter, der es übel nimmt, dass sich die Wirklichkeit einfach nicht nach seinen Ideen richtet? Oder ein Frustrierter, der es beim Marsch durch die Institutionen nie so weit nach oben geschafft hat, wie es ihm doch zustand? Oder ein Beweis, wie nahe sich links und rechts sind?

Rabehl hat sich stets auf den nationalen Unterstrom der 68er-Bewegung berufen. Sein Versuch, Dutschke zum Nationalrevolutionär zu modellieren, war eher ein Selbstporträt. Die APO zum NPD-Vorläufer zu machen ist Geschichtsfälschung und klägliche Hauruck-Dialektik. Rabehl hat sich endgültig in einem paranoiden Weltbild eingemauert, verfolgt von Geheimdiensten und Tugendwächtern. Er ist auf dem Weg dorthin, wo Horst Mahler schon ist. STEFAN REINECKE