portrait : „Sockenpremier“ von der Hinterbank
Hier haben wir den neuen Premierminister“, witzeln Polens Zeitungen. Denn Kazimierz Marcinkiewicz, 46, ist ein weitgehend Unbekannter. Nicht der Wahlsieger vom Sonntag, Jarosław Kaczyński, 56, soll neuer Regierungschef Polens werden, sondern ein bisheriger Hinterbänkler der rechtspopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS).
Die schnelle Ernennung von Marcinkiewicz zum designierten Premier weckt nicht nur bei der liberalen Bürgerplattform (PO) Argwohn, sondern auch bei den politischen Kommentatoren Polens. Ist Marcinkiewicz womöglich nur ein taktischer Übergangskandidat, der nach den Präsidentenwahlen in zwei Wochen geräuschlos ausgewechselt werden kann?
Marcinkiewicz hat wenig politische Meriten vorzuweisen. Der Politiker aus dem schlesischen Gorzów Wielkopolski (Landsberg an der Warthe) ist im Parlament weder als großer Redner aufgefallen noch als Experte für Wirtschaftsfragen. Aber er sei intelligent, fleißig und arbeite sich schnell in neue Gebiete ein, loben Parteifreunde. Immerhin war der Mann mit spitzer Nase und Halbglatze zuletzt Chef der parlamentarischen Kommission für Privatisierung. Zudem hat er das Wirtschaftsprogramm seiner Partei mitentworfen. Doch bislang wurde der vierfache Vater eher als Kandidat für den Posten des Bildungsministers gehandelt. Denn Marcinkiewicz arbeitete nicht nur mehrere Jahre als Mathematiklehrer und in der Schulverwaltung Polens, von 1992 bis 1993 war er auch Vize-Bildungsminister. Jarosław Kaczyński tritt jedoch Skeptikern entgegen: „Marcinkiewicz ist kein Kandidat der zweiten Garnitur für wenige Wochen.“ Er sei der Kandidat, der Polens wirtschaftliche Probleme lösen könne.
Tatsächlich kündigte der designierte Ministerpräsident Polens schon an, den Haushalt der linksgerichteten Vorgänger-Regierung gründlich überarbeiten zu wollen: „Wir brauchen kein Budget des Stillstands, sondern eines des Fortschritts.“ Im Wahlkampf hatte seine Partei mit niedrigen Steuern und zugleich höheren Renten und besserer Gesundheitsvorsorge geworben. Wie diese Gleichung aufzulösen ist, müsste Marcinkiewicz nun beweisen.
Er wird es jedoch schwer haben, sich gegen seinen Parteichef und die PO-Wirtschaftsexperten durchzusetzen. Ohnehin hängt ihm ein Spitzname an, den er wohl so schnell nicht los wird. In einem Interview sagte er: „Um Polen wieder in ein normales Land zu verwandeln, muss man all jene zur Verantwortung ziehen, die das angerichtet haben, was wir um uns herum sehen. Abrechnen muss man absolut alles. Bis zu den Socken.“ So nennen die Warschauer ihn nun den „Sockenpremier“. GABRIELE LESSER