portrait : Hardrocker mit Regierungsambitionen
Hardrocker sind oft ausgeglichene Typen. Besondere Kennzeichen: ruhig und pragmatisch. Aber dann, zu Hause mit der Luftgitarre, wenn Metallica voll aufgedreht ist, kuscheln sie sich natürlich nicht in die Sofaecke.
Jens Bullerjahn hört Metallica und Deep Purple. Er hat eine rote Suzuki, mit der er übers Mansfelder Land brettert. Born to be wild. Aber wenn der 43-Jährige im Magdeburger Landtag telefoniert oder sich am Rande des SPD-Parteitags berät, ist er ganz der besonnene Politikmanager. Das heißt freilich nicht, dass er lasch ist. Nach dem Absturz der SPD in Sachsen-Anhalt auf 20 Prozent hat er das Land analysiert. Er hat recherchiert, gelesen, verglichen und schließlich 60 rücksichtslose Seiten vollgeschrieben.
Abwanderung, Schulden, sinkende Zuschüsse – Bullerjahn verlangt drastische Maßnahmen. Personal kürzen, Landkreise zusammenlegen und irgendwann auch Sachsen-Anhalt mit Thüringen und Sachsen. Überraschend ist, dass er gelobt wurde. Vielleicht, weil der Inhalt so radikal war, aber so besonnen vorgetragen. Vielleicht auch, weil er nur SPD-Landtagsfraktionschef in der Opposition war. Das soll sich ändern, denn er ist Spitzenkandidat in Sachsen-Anhalt. Im Frühjahr will er Ministerpräsident Wolfgang Böhmer ablösen.
Seit gestern ist Bullerjahn auch Chef des SPD-Forums Ostdeutschland. Der Verein wurde mal gegründet, damit die wenigen Ost-Sozis nicht so allein sind. Es gab Kulturempfänge und Diskussionen, auf denen die Thierse und Stolpe grübelten, warum die Wirtschaft im Osten so schwach ist und der Rechtsextremismus so stark. Jetzt wird Bullerjahn das Forum arbeiten lassen: „Wir sollten die inhaltliche Diskussion straffen.“ So wie er geguckt hat, wo Sachsen-Anhalt 2020 stehen wird, so wird er es für ganz Ostdeutschland tun. So wie er früher als Ingenieur beim Kupferkombinat „Wilhelm Pieck“ Abläufe gestrafft hat, so wird er dafür sorgen, dass die SPD nicht rumschläft. Er wird das sanft tun, damit niemand erschrickt.
So vermittelnd war er nicht immer. Mit 27 kam er 1990 ins Landesparlament. „Ich hab da noch öfter versucht, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen.“ Als Erstes lehnte der Konfessionslose die Landesverfassung ab, weil ihm zu viel Kirche drin war. Reinhard Höppner schüttelte den Kopf.
Gerade arbeitet der zweifache Vater an seinem Äußeren. Die Omis in Halle und Stendal wollen keinen Ministerpräsidenten mit Jeans und Lederjacke. Bullerjahn schlingt sich deshalb eine Krawatte um, manchmal stutzt er sogar den Bart und kämmt sich einen Mittelscheitel. Nur wenn sein Handy „Smoke on the water“ spielt, erkennt man, dass er privat ein Wilder ist. GEORG LÖWISCH