portrait : Ein Professore als Herausforderer
Lächeln! Alle seine Mitarbeiter wie auch seine Frau hatten es Romano Prodi geraten. Nach Kräften lächeln müsse er, wenn er Ministerpräsident Silvio Berlusconi im ersten TV-Duell im italienischen Wahlkampf, das am Dienstagabend gesendet wurde, schlagen wolle. Gleich bei seiner ersten Antwort zog er mit aller Macht die Mundwinkel nach oben – doch mehr als eine gequält wirkende Grimasse kam nicht heraus.
Prodi ließ sehr schnell den Versuch, Berlusconi mit dessen eigenen Waffen zu schlagen. Der Oppositionskandidat ist und bleibt nun einmal der fernsehuntaugliche „Professore“, der dazu neigt, zu dozieren und zu nuscheln. Einer, der als geborener Verlierer in ein TV-Duell geht. Einer aber auch, der hinter seiner behäbig-professoralen Fassade eine zweite Facette seiner Persönlichkeit versteckt: seine Steherqualitäten.
Ohne mit der Wimper zu zucken, hörte er sich Berlusconis süffisante Bemerkung an, Prodi sei ja schon einmal – zwei Jahre nach seinem Wahlsieg 1996 – von seiner eigenen Koalition abgehalftert worden, und auch im Jahr 2006 sei er bloß das Aushängeschild. Dann aber wurde der Professore scharf: Berlusconi habe ihm gefälligst Respekt zu zollen, er werde als Chef der größten Fraktion ins neue Parlament einziehen. Das war eine Botschaft an den Gegner, aber auch an die eigenen Truppen: Prodi hatte im letzten Jahr die Urwahlen zum Spitzenkandidaten der Opposition erzwungen, die ihm bei einer sensationellen Beteiligung von vier Millionen Mitte-links-Anhängern über 75 Prozent der Stimmen eingebracht hatten.
Es war auch der Oppositionskandidat, der die Bedingungen der Sendung diktiert hatte: kein Publikum im Studio, die Kamera nur auf den gerade Redenden, 150 Sekunden für jede Antwort, Fragen nur durch zwei Journalisten. So war Langeweile garantiert. Das ist das Terrain Prodis, nicht das Berlusconis, der die Show, das Grinsen, das Geschwafel liebt. Je länger die Sendung voranschritt, desto müder, desto nervöser zeigte sich Berlusconi – und desto lockerer Prodi. Der Regierungschef kartete nach, Schuld an der miesen wirtschaftlichen Lage seien seine linken Amtsvorgänger – Prodi erwiderte, demnächst werde Berlusconi wohl noch Garibaldi für die Versäumnisse der letzten fünf Regierungsjahre verantwortlich machen. Und während der Ministerpräsident kräftig polarisierte und wie gehabt auf „die Kommunisten“ wetterte, machte sich Prodi erst lustig über ihn – „Sie reden, als seien Sie in der Opposition“ – und gab dann selbst den Landesvater. Unter ihm könnten die Italiener nicht bloß eine Wende zum Besseren erwarten, sondern auch „felicità“, ein glücklicheres Leben. Und da war Prodis Lächeln plötzlich echt. MICHAEL BRAUN