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Archiv-Artikel

portrait Göttliche Inkarnation des Starrsinns

Die Geste war königlich in ihrer hoheitlichen Indifferenz. Während sich in der Hauptstadt Kathmandu Soldaten und Demonstranten Straßenschlachten lieferten, flog König Gyanendra vorigen Freitag von seiner Ferienresidenz in Pokhara zum Geburtsort von Gautama Buddha. Dort wohnte er einer Konferenz des Welt-Hindu-Rats bei und ließ sich als Inkarnation des Gottes Vishnu feiern. Er rief seine Untertanen auf, sich zu vereinigen in einer gewaltigen Bewegung für den Frieden. Dann fuhr Gyanendra nach Pokhara zurück, wo inzwischen das erste Opfer der Proteste gegen den König seinen Schusswunden erlegen war.

Der 59-jährige Gyanendra ist ein bisschen Knallerei gewohnt, schließlich erlebte er seine königliche Inkarnation im Feuer von Waffen. Am 1. Juni 2001 schoss sein Neffe, Kronprinz Dipendra, seine Eltern und Geschwister nieder, bevor er sich selbst eine Kugel in den Kopf jagte. Gyanendra fehlte damals beim wöchentlichen Familientreff, doch sein Sohn Paras war dabei und überlebte. Die traumatisierte Öffentlichkeit verdächtigte den ebenso schieß- wie trinkwütigen Paras und seinen Vater. Denn nun war Paras der Kronprinz und Gyanendra die neue Inkarnation von Vishnu.

Zum Vorbild nahm er sich nicht den getöteten Bruder, sondern seinen Großvater Mahendra. Der hatte 1960 das Parlament aufgelöst und eine Fassadendemokratie gezimmert, die 30 Jahre später unter dem Getöse von Protesten einkrachte. Mahendras Nachfolger, der milde Birendra, akzeptierte die Souveränität des Parlaments. Selbst eine wacklige Demokratie – 11 Regierungen in 11 Jahren – verführte ihn nicht zum Eingreifen. Der jüngere Bruder hat weniger Skrupel. Der Unternehmer – Gyanendra besitzt Hotels, Teeplantagen, eine Zigarettenfabrik – liebt rasche Entscheidungen. Den ersten Jahrestag seiner Krönung feierte er mit der Entlassung von Parlament und Regierung.

Voriges Jahr erklärte sich Gyanendra dann „für drei Jahre“ zum absoluten Herrscher. Er hält Politiker für unfähig und verdächtigt sie der Leisetreterei gegenüber den maoistischen Guerilleros. Die will er militärisch in die Knie zwingen. Die Armee kann zwar seinen Palast schützen und Demonstranten jagen, doch den Krieg kann sie nicht gewinnen. Und je länger sich der König hinter Bajonetten einigelt, desto mehr schwimmen ihm politische Optionen davon. Maoisten und Parteien nähern sich an. Aus dem Ruf nach Wiederherstellung der konstitutionellen Monarchie wird der Ruf nach ihrer Abschaffung. Und nun zögern selbst die USA, sonst bei jeder Erwähnung von „Terror“ sofort zur Stelle, dieser Inkarnation von Starrköpfigkeit zu Hilfe zu eilen. BERNARD IMHASLY