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Archiv-Artikel

portrait Experte des vergleichenden Fanatismus

Amos Oz sorgt sich wenig um seine Popularität. Seiner Überzeugung stets treu, scheut er auch die unschöne Wahrheit nicht, bleibt häufig umstritten und doch den Politikern fast immer voraus. Diese Woche veröffentlichte Oz gemeinsam mit den Schriftstellern David Grossman und Abraham B. Jehoschua einen Aufruf zum sofortigen Waffenstillstand. Die Ziele der militärischen Offensive im Libanon, so argumentiert er, seien erreicht worden. Diesmal vermeidet Oz Provokationen, sowohl was den Zeitpunkt des Appells – erst in der vierten Woche des Feldzugs – als auch den Inhalt betrifft.

Auf zwei Dritteln der Anzeige legitimieren die Verfasser die „zwingende umfassende Militäraktion“, sowohl gegen die Hisbollah als auch „gegen die libanesischen Behörden“. Nun aber könne die Botschaft nicht mehr missverstanden werden: Die Entschlossenheit Israels, mit Nachdruck die Grenzen und die Bürger zu schützen, „wurde dem libanesischen Volk ausreichend erklärt“.

Als etwas zu spät und etwas zu zaghaft mag die europäische Linke und sicher auch Israels radikales Friedenslager den Appell empfinden. Doch Oz war selbst nie Pazifist, obwohl er 1977 die Friedensbewegung Schalom Achschaw (Frieden jetzt) mitgründete. Krieg als Mittel zur Selbstverteidigung ist für ihn durchaus legitim. Nach dem Abitur absolvierte er seinen dreijährigen Militärdienst. 1967 kämpfte er auf dem Sinai und während des Jom-Kipur-Kriegs auf den Golanhöhen. Als Mittel zur Konfliktlösung eignet sich die militärische Auseinandersetzung seiner Meinung jedoch nicht.

Noch zu Beginn der Kriegsgefechte hoffte Oz auf einen möglichen Sieg über die Hisbollah und anschließend verbesserte Chancen für einen Frieden in der Region, vor allem mit den Palästinensern. Oz war einer der Ersten, der nach dem Krieg 1967 von „besetzten Gebieten“ sprach, während Israel noch die „Befreiung“ Jerusalems und Hebrons feierte. Schon damals rief Oz zum sofortigen Abzug auf, um danach neben Israel einen Staat Palästina zu gründen. 1992 wurde er mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Wenig überraschend befürwortete Oz den von Premier Ariel Scharon entworfenen Abzugsplan aus dem Gaza-Streifen. Allerdings ginge es bei der Evakuierung der Siedlungen nicht nur um die Frage nach dem Schicksal der Gebiete. „Grundsätzlich ist dies die erste Schlacht über die Frage von Religion und Staat.“ Israel war den Abzug nicht nur den Palästinensern schuldig, so meinte Oz, der sich selbst als „Fachmann für vergleichenden Fanatismus“ bezeichnet, sondern vor allem sich selbst.

SUSANNE KNAUL