portrait : Der Spar-Schwabe für das Kosovo
Das Gerücht, Schwaben könnten bestens mit Geld umgehen, hat sich offenbar bis New York herumgesprochen. Es mag dazu beigetragen haben, dass UN-Generalsekretär Kofi Annan Joachim Rücker zum neuen Chef der UN-Mission im Kosovo ernannt hat. Sicher hat der Aufstieg des sparsamen Schwaben damit zu tun, dass er vor zwei Jahren damit begann, die Privatisierung der Kosovo-Wirtschaft voranzutreiben.
Als der 1951 in Schwäbisch-Hall geborene Rücker 2001 nach Sarajevo kam, um als Stellvertretender Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien tätig zu werden, war er auf der internationalen Bühne noch ein unbeschriebenes Blatt. Man wusste nur, dass er als Bürgermeister Sindelfingens von 1993 bis 2001 die einst hochverschuldete Stadt saniert hatte und dann als Berater der SPD-Fraktion und im Auswärtigen Amt tätig war.
Als Seiteneinsteiger wurde dem zurückhaltenden Mann wenig zugetraut. Viele „Internationale“ waren in dieser komplexen, auch nach dem Krieg noch durch ethnische und religiöse Konflikte zerrütteten Gesellschaft gescheitert. Doch der stets überlegt auftretende Rücker brachte das Kunststück fertig, die chaotische Infrastruktur der internationalen Institutionen zu strukturieren.
Populär machte ihn das nicht. Doch bei der UN gewann er an Ansehen. Als vor zwei Jahren das skandalumwitterte Amt des „Wirtschaftsministers“ der Unmik neu zu besetzen war, erinnerte man sich an Rücker. Und auch hier gelang es ihm, das Chaos zu ordnen. Mit Fingerspitzengefühl ging er die heikle Aufgabe der Privatisierung der Kosovo-Wirtschaft an. Nach wie vor ist umstritten, wem das Staatseigentum gehört: Serbien, wie Belgrad behauptet, oder dem Kosovo-Staat, dessen Besitz erst unter Slobodan Milošević 1989 in serbische Hände überging.
Der Prozess der Privatisierung ist noch nicht abgeschlossen und hängt vom künftigen Status des Kosovo ab. Als Unmik-Chef sitzt Rücker ab 1. September an den Schalthebeln. Ihm obliegt es, Empfehlungen zur Statusfrage zu geben und damit in die Sphäre der großen Politik vorzustoßen. Die seit Februar laufenden Verhandlungen zwischen Priština und Belgrad treten zwar auf der Stelle, irgendwann muss die UNO aber entscheiden, und dabei hat er ein Wörtchen mitzureden.
Kontinuität ist Rücker wichtig, privat wie politisch. Mit einer Kinderärztin verheiratet, die mit den drei Kindern in Stuttgart lebt, verortet er sich nach wie vor in Baden-Württemberg. Ob er der diplomatische „Bulli“ sein kann, der in gefährlichen Situationen gebraucht wird, sei dahingestellt. Jedenfalls hofft er, der letzte UN-Verwalter im Kosovo zu sein. ERICH RATHFELDER