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Archiv-Artikel

portrait Der großherzige Diktator

Auf der Rangliste größenwahnsinniger Diktatoren steht der turkmenische Machthaber ganz oben. Der 1940 geborene Saparmurad Nijasow, mit dem Ehrentitel „Turkmenbaschi“ (Führer der Turkmenen), beherrscht den zentralasiatischen Staat seit 1992 nach seinen jeweiligen Launen.

Nun soll auch die ganze Welt daran teilhaben. Das Buch des Tyrannen mit dem Titel „Ruchnama“ hat er in 32 Sprachen übersetzen lassen und weltweit an 1.222 Bibliotheken versandt. Das Werk wird von den stets dankbaren Turkmenen als heilig eingestuft. Es kommt gleich nach dem Koran. Als sich jedoch der turkmenische Mufti weigerte, Zitate aus dem Buch an die Moscheewände zu schreiben, wurde er verhaftet. Denn der Gottesmann schien nicht zu wissen, dass man nach dreimaliger Lektüre direkt in den Himmel kommt, wie der Autor behauptet.

Nicht nur dem Buch bringen die Turkmenen Verehrung entgegen, sondern auch Turkmenbaschi selbst. Die Hauptstadt Aschgabat ist zugepflastert mit Denkmälern des Staatsmannes, die ihn in jeder Lebenslage zeigen: sitzend, schreitend, zu Pferd oder stehend. Die größte Skulptur im Stadtzentrum funkelt gülden und dreht sich mit der Sonne. Dabei ist der Turkmenenführer eher kompakt und gehört zu den Menschen, bei denen der Kopf direkt auf den Schultern sitzt.

Die Monate in Turkmenistan tragen den Namen des Präsidenten, den seiner Mutter und den des Buches. Die Einwohner müssen jubeln. Denn Undankbarkeit mag Nijasow nicht leiden. Unbotmäßige Beamte müssen schon mal zur Strafe die eigens dafür gebaute Treppe auf einen Berg unweit der turkmenischen Hauptstadt besteigen. Der Turkmenenführer überwacht das Treppensteigen von einem Hubschrauber aus.

Manches Mal schließt der Herrscher alle Provinzkrankenhäuser, damit die siechen Turkmenen sich auf den Weg in die qualitativ hochwertigen Kliniken der Hauptstadt begeben.

Wie jeder Despot will auch Turkmenbaschi die Wüste bewässern und plant beherzt den Bau des goldenen Sees mitten in der turkmenischen Wüste an der afghanischen Grenze. Bisher gibt es noch kein Wasser, aber die Brücke über dem imaginären Gewässer steht schon.

Die reichen Erdgasvorkommen am Kaspischen Meer spülen in die Taschen des Diktators das nötige Kleingeld für all die Späße. Dazu gibt er sich spendabel. Salz, Zucker gibt es umsonst, und die Krankenversorgung ist auch frei, wenn man es bis in die Hauptstadt geschafft hat. Regimekritiker werden drangsaliert oder verschwinden einfach. Da Turkmenbaschi gegenüber Russland bockig ist, wird er trotz seiner Eskapaden vom Westen hofiert.

MARCUS BENSMANN