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Archiv-Artikel

portrait Der liberale Chronist der US-Politik

Zwanzig Bücher, über zwei Generationen verteilt, geschrieben und viele kontroverse Debatten über die US-Geschichte des 20. Jahrhunderts – das ist das Vermächtnis des Historikers Arthur Schlesinger. Er starb am Mittwochabend in New York mit 89 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts.

Schlesinger, einer der wichtigsten Liberalen der USA in den Zeiten des Kalten Krieges, gehörte zum engeren Mitarbeiterstab des 1963 erschossenen Präsidenten John F. Kennedy. Für ihn sollte er notieren, was so passierte, Kennedy wollte dies in einer späteren Autobiografie verwenden. Doch dazu kam es bekanntlich nicht mehr. Schlesinger nutzte die Aufzeichnungen für „A Thousand Days“ (1.000 Tage), eine Chronik der Amtszeit Kennedys. Dafür erhielt Schlesinger 1966 den Pulitzer-Preis sowie den National Book Award.

Sein nächster Bestseller war: „Robert Kennedy and His Times“, in dem er dem ebenfalls ermordeten Bruder des Präsidenten als dem „politisch kreativsten Mann seiner Zeit“ ein Denkmal setzte. Schlesinger korrigierte sich in dem Buch selbst, indem er befand, Robert habe in der Kuba-Krise eine weit wichtigere Rolle gespielt, als er zuvor in „1.000 Tage“ erkannt hatte.

Schlesinger war nie unumstritten. Da er im Wahlkampf beider Kennedy-Brüder mitgearbeitet hatte, warfen ihm Kritiker immer wieder vor, er könne Geschichte nicht von seinen Emotionen trennen. Gore Vidal nannte „1.000 Tage“ einen politischen Roman, andere beklagten, dass er mit keiner Silbe die sexuellen Eskapaden John F. Kennedys erwähnt hatte.

Bis zu seinem Tod blieb Schlesinger einer der einflussreichsten Denker der politischen Elite. Der Sohn des ebenfalls berühmten Sozialhistorikers Arthur M. Schlesinger entwarf im Zweiten Weltkrieg Reden für den Präsidenten Franklin D. Roosevelt und arbeitete als Analyst für das Office of Strategic Services, dem Vorläufer der CIA. Seinen Durchbruch als Historiker schaffte er bereits 1945 im Alter von nur 27 Jahren mit „The Age of Jackson“, einem Werk über das frühe 19. Jahrhundert. Ein Jahr später beteiligte er sich an der Gründung der liberalen, antikommunistischen Gruppe „Americans for Democratic Action“ und veröffentlichte 1949 mit „The Vital Center“ ein Plädoyer für eine liberale Innen- und eine antikommunistische Außenpolitik.

In seinem letzten Buch „War and the American Presidency“ nannte Schlesinger den Irakkrieg ein „entsetzliches Durcheinander“. Die Bush-Doktrin des „Präventionskriegs“ lehnte er ab: „Ich denke, dass die ganze Vorstellung von Amerika als Richter, Geschworene und Scharfrichter der Welt eine tragisch falsche Vorstellung ist.“

ADRIENNE WOLTERSDORF