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Archiv-Artikel

peter unfried über Charts Daddy Cool

Schlampen, Luder, Sexsymbole sind out. Und auf Partys sieht man nur noch Frauen mit Bauch. Großartig. Für Männer

Ich stand eigentlich bloß blöd rum. Trank mein Mineralwasser, hörte „Wir sind Helden“ zu, schaute ein bisschen den Frauen nach. Alter Partyreflex.

Hm. Bauch, Bauch, Bauch. Sind die alle denn schon wieder schwanger? Das darf man selbstverständlich nie fragen! Es kann auch das Babyfett sein, das sie nicht mehr loswerden. Aber ich will das ja gar nicht beklagen, im Gegenteil. Süße kleine Bäuchlein; überall. Ich seufzte glücklich auf.

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Falls irgendjemand die neun spektakulärsten gesellschaftlichen Thesen der letzten Zeit nicht parat haben sollte, hier der Schnelldurchlauf:

1. Einfühlsame und doch taffe Moderatorinnen moderieren Deutschland (FAZ).

2. Sex ist out (FAS).

3. Schlampen sind out. Luder haben geheiratet (J. Elvers-Elbertzhagen), sind verreist (A. Sommer), geplatzt (N. Abdel Farrag), verletzt worden (B. Schäfer).

4. Dosenpfand hat gute Seiten – und schlechte (Quelle: taz).

5. Ehemalige Sexsymbole werden „asexuell“ inszeniert (Moore, Diaz, Barrymore).

6. Oder halten jetzt auch in D. statt der üblichen Körperteile ihren Bauch in die Kamera (Feldbusch, demnächst Connor).

7. Die Kleinfamilie ist in. (Quelle: u. a. SZ-Magazin ).

8. Die Generation G. sitzt zu Hause und versucht das Scheitern des großen, neuen Entwurfs („Start-up“, arbeiten, leben, Tischfußball spielen mit Gleichgesinnten) durch Rückbesinnung auf die „Start-up-Familie“ zu kompensieren (Quelle: Frankfurter Rundschau ).

9. Der Bauch der Frau ist Gott.

Letzteres ist eindeutig die spektakulärste These des Monats (auch FR – hm, was ist denn mit denen los?). Deshalb soll hier auch nicht unnötig verkomplizierend die Rede sein von der Geburtsratenrealität im Land (kaum Kinder), vom Retromoralismus oder der problematischen Neudefinition eines ohnehin seltsamen Rituals („Heirat“) als Ausstellung eines in der Regel von der Frau definierten Konsumstils. Die Frage, die sich mir stellt: Wenn Sex und Sexsymbole wie ja auch Singles out sind, aber zumindest in einem Teil der Gesellschaft Bauch, Kinder, Kleinfamilie usw. in – was hat denn das für Auswirkungen für Leben und Image eines Kleinfamilienvaters?

Tja, und sehen Sie, die Antwort ist: Rundum positive.

Früher musste man Vaterschaft und Kleinfamilie im Beruf und gerade auch bei den interessanten Frauen verschweigen wie eigentlich sonst nur noch den Kriegsdienst. Jetzt kann der Mann als selbstbewusster Vater vortreten und teilhaben am „medial inszenierten Babyboom“ (FR). Muss nicht mehr den ganzen Tag überlegen, was der Sinn des Lebens ist oder mit welchem Supermodel er gerne „zu Abend essen“ würde. Kann jetzt seine Kinder in die Kameras halten wie früher die Pokale, Fische, Löwen oder Weiber. Das steht ja auch David Beckham prima, dem Lauterbach und irgendwie sogar dem Franz (57). In Großbritannien ist grade die erste richtige Väterzeitschrift auf den Markt gekommen. Father’s Quarterly. „Vaterschaft ist heiß“, fasst der Guardian die Botschaft von FQ zusammen. Ich begrüße diese These und teile sie – auch jenseits der Inszenierungsversuche von ökonomisch motivierten Verkaufsstrategen.

Das „Heiße“ rührt meines Wissen allerdings auch daher, dass die Hauptarbeit grade in unseren aufgeklärten Kreisen trotz aller pränataler Schwüre von der Mutter gemacht werden muss. Während sie neben der Arbeit erzieht, streitet, schreit und weint, bringt ein entspannter Vater seine Kinder zwischendurch kurz zum Lachen. Mit lässigen Geschichten von erfundenen Giraffen und blöden Kommt-ein-Elefant-in-die-Bar-Witzen. So hat er höchste Imagewerte bei den Kindern und der Öffentlichkeit – und wenn die Arbeit losgeht, liest er längst wieder Zeitung.

Das ist die Frauenperspektive. Ich sehe das etwas differenzierter. Aber nicht sehr.

*

Und so seufzte ich auf dieser Party. Weil ich spürte: Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Platz. Endlich. Voll ehrlichem Interesse widmete ich mich einem Gespräch über den monatelangen Stress, bis mal wieder jemand endlich geschwängert war. Später probierte ich den Karottenkuchen (wirklich gut), diskutierte das Ehegattensplitting (Mütter diskriminierend) und ließ mich von drei Müttern mit wirklich süßen Bäuchlein so lange für meine gut aussehenden Kinder loben, bis sie das Gelbe in meinen Augen sahen. Es war schon 22.05 Uhr, also fünf Minuten nachdem unser Babysitter eigentlich heim gemusst hätte, da ging ich zum DJ und erklärte ihm, dass die Welt zu uns Vätern gekommen war. Dann spielte er unser Lied.

„Daddy Cool“.

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