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Archiv-Artikel

peter ahrens über Provinz Hauptstadthass

Niederländer können in Berlin viel lernen. Etwa: „Wo kein Hundesofa ist im Haus, sehen die Hunde traurig aus“

Am Wochenende war ich in Berlin. DIE HAUPTSTADT. Gemeinhin komme ich ja meiner hamburgischen Bürgerpflicht mit Eifer nach, diese Stadt zu meiden und nicht zu mögen, so sehr es mir eben möglich ist. Die Reinickendorfer Rentner, die in ihren cremefarbenen Mercedes SL die Stadtautobahn verstopfen, die schlecht gelaunten Hunde im Park, das übliche Berliner Hasspotenzial eben. Doch in Begleitung einer Delegation von mehreren niederländischen Kollegen, die sich zum Abschluss meines zweimonatigen Journalistenaustausches die HAUPTSTADT zu Gemüte führen wollen, bin ich zu Opfern bereit.

Außerdem müssen Olympiabewerbungs-Loser miteinander solidarisch sein, der neue Hamburger Feind steht jetzt schließlich in Sachsen und heißt Leipzig. Obwohl wir Hanseaten es dem Osten natürlich gönnen und gute Verlierer sind: Ich bin auch durchaus überzeugt, dass Trümpfe wie das sächsische Musikinstrumentenmuseum und die Gaststättenmeile Drallewatsch ausreichen dürften, 2012 die läppische internationale Konkurrenz aus New York, Madrid oder Paris in die Schranken zu weisen. Der Name Völkerschlachtdenkmal weist ja auch schon dezent auf den olympischen Gedanken hin.

Das Tagesprogramm in der HAUPTSTADT startete mit einer architektonischen Stadtführung, die im Besuch der Baustelle der neuen niederländischen Botschaft gipfelte. Die niederländischen Gäste haben sich ein klein wenig gewundert, nachdem ihnen erklärt wurde, dass das, was sie für Baugerüste hielten, der bereits fertig gestellte Eingangsbereich der Botschaft ist.

Danach ging es zum Regierungsviertel. Vorm Bundeskanzleramt traf sich eine Gruppe von Fußballfans des VfL Bochum, die zum Herthaspiel am Nachmittag wollten. Es waren ganz offensichtlich ostwestfälische Landsleute aus meiner alten Heimat, da sie über ihren Bäuchen T-Shirts mit der sympathischen Aufschrift „Wir sind die Paderborner Bierbarbaren“ trugen und sich entsprechend benahmen. Ein kleines Mädchen aus einer Besuchergruppe war davon so eingeschüchtert, dass sie die Flucht nach vorn ergriff und es irgendwie schaffte, durch die Gitterstäbe des Eingangstores des Bundeskanzleramtes zu schlüpfen. Nach der Unruhe zu schließen, von der die Sicherheitsbeamten plötzlich erfasst wurden, kommt so etwas selbst in der HAUPTSTADT wohl nicht allzu häufig vor. Alle Zugucker haben sehr gelacht, als mindestens sieben uniformierte BGSler um das Kind herumstanden und hektisch in ihre Walkie-Talkies bellten. Das Kind und seine Mutter haben auch gelacht, die Niederländer haben Fotos gemacht, die sie daheim herumzeigen wollen. Ein Sicherheitsmann hat das fröhliche Kind dann bei der Hand genommen und ist mit ihm ins Kanzleramt gestapft. Als es fünf Minuten später wieder herauskam und zu den Eltern durfte, hat es geweint. Vermutlich hatte der Friedenskanzler ihr in der Zwischenzeit eine Ruckrede gehalten und angekündigt, ihr Taschengeld um die Hälfte zu kürzen, um etwas gegen den Reformstau am darbenden Wirtschaftsstandort zu tun.

Am Abend gab es Eintrittskarten für die „Bar jeder Vernunft“ in Wilmersdorf. Ein Kabarettist mit dünnen Haaren, dessen Programm als „angesiedelt zwischen Herrenwitz und sarkastischem Humor“ angepriesen wurde, riss auf der Bühne allerhand Witze, die er sich zweifellos in mühsamer Kleinarbeit aus anderen Kabarettprogrammen zusammengesucht hat. Weil es aber augenscheinlich immer noch Leute gibt, die den Fußballersatz von Bruno Labbadia „Das wird alles so hochsterilisiert“ noch nicht kennen, wird auch über diesen Gag viel gelacht. Dann macht der Künstler auch noch ein, zwei Witze über den Intellekt von George W. Bush, die im Publikum nahezu begeistert aufgenommen werden.

Als wir später in der Nacht zurück ins Hotel gestolpert sind, habe ich auf dem Heimweg noch etwas sehr Schönes entdeckt. In der Uhlandstraße in Charlottenburg gibt es das Möbelgeschäft mit dem Namen Adolf Schulze, ein Name, über den sich die Niederländer merkwürdigerweise köstlich amüsieren konnten. Im Schaufenster dieses Ladens preist Adolf Schulze für 129 Euro auch ein Hundesofa an. Als Kaufanreiz hat er dafür sogar gereimt. „Wo kein Hundesofa ist im Haus, sehen die Hunde traurig aus“, steht auf einem Schild. Mein Bekannter Stefan, der in der Gegend wohnt, hat mich darüber aufgeklärt, dass in dieser Straße schon Heinrich Mann und Else Lasker-Schüler gewohnt und gedacht haben. Es ist schön, dass diese Literaturtradition in der Uhlandstraße weiterlebt.

Die Niederländer haben behauptet, dass Berlin doch gar nicht so übel sei.

Fragen zur Hauptstadt?kolumne@taz.de