ortstermin: Bei einer Live-Mediation wird um Geld gestritten : Es geht ums Prinzip
In der Reihe „Ortstermin“ besuchen AutorInnen der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms
In der Hamburger Handelskammer sitzen 18 Damen und Herren rund um die U-förmig aufgestellten schwarzen Konferenztische. Sie lauschen ernst dem Streit, der vor ihren Augen ausgetragen wird: Joachim Kretzschmer, ein Vertreter von Mobile.de, zankt sich mit einem unzufriedenen Kunden, nennen wir ihn Andreas Busche.
„Es geht um unser Geschäftsprinzip“, sagt Kretzschmer. „Ihr System ist auf keinen Fall idiotensicher“, sagt Busche. Der Streitwert: 13 Euro. Zwischen den beiden sitzen eine Vertreterin des Inkasso-Büros, das von Mobile.de beauftragt wurde, und eine Wirtschaftsmediatorin, die zwischen allen vermitteln soll.
Mobile.de ist eine Website, über die Autos ge- und verkauft werden können. Aus Versehen hat Busche ein Inserat doppelt aufgegeben – und soll nun zweimal die 13 Euro Gebühr zahlen. „Ich kenne das ja auch, als Anwenderin“, sagt Petra Leopold, die das Inkasso-Büro vertritt.
Echt ist hier nur der Ärger des Kunden, der sich geprellt fühlt. Kretzschmer und Leopold haben mit Mobile.de nichts zu tun. Sie sind genau wie die Zuschauer und wie Busche aus reinem Interesse zum Live-Mediationsabend in die Handelskammer gekommen. Die Mediatorin Susanne Perker führt ihre Fähigkeiten vor und wirbt damit für die Mediations-Fortbildung des Hamburger Instituts für Mediation. „Das hier ist natürlich auch Akquisitionstätigkeit“, sagt sie.
Der Fall, den Busche nach eigenem Bekunden tatsächlich erlebt hat, soll zeigen, wie eine Mediatorin als neutrale Dritte zwischen Konfliktparteien vermitteln kann. Im wirklichen Leben, da sind sich alle einig, wäre die Wirtschaftsmediation ein zu teurer Spaß für diesen Streit. Eine Stunde schlägt mit 150 bis 250 Euro zu Buche.
Zu Beginn des Abends schrieb Susanne Perker auf ein großes Blatt Papier die fünf Phasen der Mediation. Um das Herausarbeiten der Konfliktpunkte ging es da sowie um die Entwicklung und Bewertung von Lösungsoptionen. Nach Phase fünf, sagte sie, seien hoffentlich alle glücklich. Nun kommt der Praxistest. „Wir kommen gleich zu Ihnen“, unterbricht Perker die Streithähne, wenn sie einander ins Wort fallen. „Ich würde das auch noch mal gerne versuchen zu verstehen“, bremst sie sie in ihrem Redefluss. „Was könnte Herr Busche tun? Was brauchen Sie von ihm“, fragt sie den Mobile.de-Vertreter Kretzschmer. „13 Euro“, kontert er trocken.
„Die Stunde ist rum. Haben Sie einen Vorschlag, wie wir verbleiben können“, fragt Mediatorin Susanne Perker am Ende. Es ist der Vertreter von Mobile.de, der einen bahnbrechenden Vorschlag ersinnt: Andreas Busche zahlt 6,50 Euro, Mobile.de bleibt auf den restlichen 6,50 Euro sitzen. „Es hat sich dann ja auch geklärt, ohne dass ich zu deutlich hätte eingreifen müssen“, sagt Perker – und alle sind glücklich.KARIN CHRISTMANN