off-kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Das britische Ealing Studio (benannt nach dem Standort im Londoner Stadtteil Ealing Green) hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf Komödien spezialisiert, die meist liebevoll, manchmal aber auch sarkastisch und mit schwarzem Humor von den großen Träumen ihrer kleinbürgerlichen Protagonisten erzählten. Star des Studios war der Verwandlungskünstler Alec Guinness, der auch die Hauptrolle eines verrückten Kriminellen in der Kriminalkomödie „The Ladykillers“ (1955) spielt. Guinness und seine vier Kumpane (unter ihnen auch Peter Sellers als eher gutmütiger Ganove und Herbert Lom als finsterer Schurke) wollen einen Geldtransport überfallen und mieten sich derweil als angebliches Streichquintett zur Tarnung bei einer harmlosen alten Dame ein. Jene erweist sich allerdings bald als erhebliche Nervensäge und spannt die Herren in allerlei häusliche Aktivitäten ein: vom Geschirrspülen bis zum Einfangen des Papageis. Und als die Vermieterin schließlich als Mitwisserin des mittlerweile geglückten Coups ins Jenseits befördert werden soll, klappt dies aus den unterschiedlichsten Gründen nicht. Der Kontrast zwischen den Mordgelüsten der Schurken und der Arglosigkeit der alten Dame sorgt für den schwarzen Humor: Mit Dingen zu spaßen, die eigentlich tödlich ernst seien, meinte Regisseur Alexander Mackendrick, das sei die wahre Komödie. Die Zeit der Ealing Comedies war allerdings dann bald vorbei: 1957 wurde das Studio an die BBC verkauft.
Kochkunst und Gesellschaftskomödie verbindet Regisseur Ang Lee in seinem Meisterwerk „Eat Drink Man Woman“ (1993). Hier wird der Esstisch zum letzten Refugium der interfamiliären Kommunikation, denn die drei Töchter eines alten Meisterkochs stehen in der Pflicht, jeden Sonntagabend bei ihm zum Essen antreten zu müssen. Neben den unglaublich gut und opulent aussehenden Speisen der traditionellen chinesischen Küche werden beim gemeinsamen Essen dann immer wieder bislang gut gehütete Geheimnisse aufgetischt. So schlägt die Geschichte stets eine neue Volte, was der Film lakonisch und humorvoll zu erzählen weiß.
Eine weitere Reflexion der Kinogeschichte von Jean-Luc Godard: Die amerikanischen Filmmusicals in CinemaScope und Farbe sowie die eleganten Dreiecksgeschichten von Ernst Lubitsch dienten als Inspiration für die Komödie „Une femme est une femme“ (1961), in der Godard die Geschichte der Stripteasetänzerin Angela (Anna Karina) erzählt, die sich unbedingt ein Kind wünscht. Ihren muffeligen Lebensgefährten Emile (Jean-Claude Brialy) bringt sie diesbezüglich allerdings erst in Schwung, als sie ein Techtelmechtel mit dem gemeinsamen Freund Alfred (Jean-Paul Belmondo) beginnt. Trotz einer Reihe von Ton- und Farbexperimenten gehört „Une femme est une femme“ zweifellos zu den unterhaltsameren Werken Godards, für das der Maestro eine Menge von amüsanten Gags ersann und das, wie in der Frühzeit der Nouvelle vague nicht unüblich, viele Verweise auf Arbeiten seiner Freunde enthält. LARS PENNING