nicht verpassen! : Schöne Landschaft, beschissene Lage
„Der Jenissei“ (20.15 Uhr, ZDF)
Wenn bei uns von Sibirien die Rede ist, öffnen sich die Gemütsschleusen. Aber keine Angst: Der erste Teil vom Dirk Sagers dreiteiliger Doku über dem Jenissei heißt zwar unsinnigerweise „Sibiriens Schicksalsstrom“, vermeidet aber die üblichen Sibirien-Klischees. Sagers Route ging von den Ursprungsflüssen des Jenissei in der Autonomen Republik Tuwa nahe der Mongolei über die großen Stauseen des Oberlaufs bis nach Krasnojarsk, einem der traditionellen Zentren Sibiriens. Die Landschaft ist hinreißend, die Bevölkerung durchwegs sympatisch, die Lage beschissen.
Zieht man das Resümee aus den zahlreichen Interviews Sagers, so hat das Ende der Sowjetunion die Menschen am Jenissei jeder vernünftigen Lebensplanung beraubt. Zufrieden sind nur die Tuwimen am Oberlauf des Jenissei, die eine Art von Synthese aus Sippentradition und Kolchoszeit praktizieren. Und die Altgläubigen, bei denen Bedürfnislosigkeit und harte Arbeit zum Glück gehören.
Dokumentarist Sager besucht auch den einst supergeheimen Komplex Krasnojarsk 26, wo nach wie vor eine Wiederaufbereitungsanlage für Plutonium arbeitet. Hier sehen wir auch einen erfolgreichen Umweltschützer. Ihm ist es zu danken, dass der Bau eines atomaren Endlagers unweit des Jenissei durch Massenproteste verhindert wurde. Und diese Prise Hoffnung hat der Zuschauer am Ende des Films auch dringend nötig. Zwei weitere Folgen (am 22. 2. und 8. 3.) werden den Jenissei bis zum arktischen Meer begleiten. CHRISTIAN SEMLER