neues aus neuseeland: scharfes gebäck von ANKE RICHTER :
„Komm mich doch im ‚Beehive‘ abholen“, sagte meine Freundin, die ich in der Hauptstadt besuchen wollte. Der „Bienenstock“ ist das Regierungsgebäude. In Deutschland würde das architektonische Bollwerk wohl Baumkuchen heißen. Ich war aufgeregt. Man betritt ja nicht einfach so das Weiße Haus.
Zuerst klärte ich die Sicherheitsmaßnahmen ab. Als Ausländerin kann man gar nicht vorsichtig genug sein. „Du gehst zum Eingang“, erklärte meine Freundin. „Da sitzt ein Mann, der schnell den Playboy wegschiebt. Dem gibst du meine Durchwahl und buchstabierst meinen Namen. Er hat Schwierigkeiten mit dem Alphabet.“ Eine Stunde später kam eine E-Mail mit genaueren Instruktionen. „Falsch. Das Magazin heißt Ralph.“
Ich war gewappnet. Dezenter Mantel, Pass dabei, keine Waffen oder Drogen. Bisher lief alles problemlos. Ich ging auf den Eingang zu. Keine Absperrungen oder Posten davor, nicht mal ein Streifenwagen. Vielleicht hatte ich mich im Eingang geirrt? Im Glaskasten saß ein Mann, der bei jeder Krankenkasse Portier sein könnte. Schob er nicht irgendetwas unter seine Papiere, das nach Hustler aussah? Meine Freundin sollte sich Gedrucktes besser merken, bei so einem wichtigen Job. Der Pförtner lächelte gemütlich, es war ja auch kurz vor Feierabend, und fragte: „Wo soll’s denn hin, meine Liebe?“ Mehr nicht. Dabei könnte ich ja sonst wer sein. Kein „Weisen Sie sich aus und nennen Sie Kontakte zur Unterstützerszene verbotener Organisationen!“ Ich nannte ihm nur den Namen meiner Freundin. „Wissen Sie die Durchwahl?“, fragte er. Wusste ich, ich hatte nichts zu verbergen. Er raschelte in seinem Papierhaufen. „Hab’ doch glatt meine Brille vergessen“, lachte er auf, „die liegt immer woanders.“ Das behaupten alle Analphabeten.
Gut, dass wenigstens meine Freundin halbwegs blickt, was in dem Gebäude vor sich geht. Sie holte mich am Fahrstuhl ab. Wir betraten den Kabinettsraum. „Saal“ wäre wirklich übertrieben. Die Queen lächelte von der Wand. Jeder Minister hatte ein Kärtchen an seinem Platz, als ob sich in diesem Land nicht eh jeder beim Vornamen kennt. Ich fasste kurz den Lederstuhl der Premierministerin an. Unglaublich, das alles.
„Heilige Unschuld“, brach es später beim Kaffee aus mir heraus, „hat denn bei euch niemand vor irgendwas Angst?“ Meine Freundin schaute mich ratlos an. Den Früchtekuchen auf dem Tisch hatte ihre Tante gebacken. Für den ist sie berühmt, bis nach Übersee, wo die Verwandten in Irland von Tantes Marzipan-Glasur schwärmen. Deshalb musste letztens eine der Nichten einen hausgemachten Früchtekuchen von Neuseeland mit nach London nehmen. Tantes Mann, ein echter Heimwerker-Kiwi, hatte für den Transport eigens eine Metallbox mit Henkel gebastelt, damit das gute Stück mit ins Handgepäck kann. In Heathrow angekommen, ging die Nichte aufs Klo. Übermüdet vom langen Flug vergaß sie den Kuchen. Der fiel ihr erst in der U-Bahn wieder ein. Nichts wie zurück – und in die Hände von Scotland Yard, die das verplombte Gebäck inzwischen entdeckt hatten und entschärfen wollten.
Happy End, Kuchen verputzt. Das fanden meine Freundin und ich vor den Anschlägen in London alles noch ganz schön lustig.