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Archiv-Artikel

nebensachen vom balkan In 9 Stunden, 20 Minuten von Sarajevo bis Prishtina

Ihr EU-Europäer wisst ja gar nicht, wie gut ihr es habt. Noch 1998, als der Krieg im Kosovo begann, brauchte man für die 420 Kilometer von Sarajevo nach Prishtina nur gute 6 Stunden. Heute, mitten im Frieden, kann die Fahrt sehr viel länger dauern. Es sind die Grenzen, die jetzt den Kummer bereiten.

„Nimm doch einfach die Straße durch den Sandžak nach Novi Pazar“, schlagen Freunde vor. Denn da muss man nur die bosnisch-serbische Grenze bewältigen, fährt dann durch den serbischen und vornehmlich von Muslimen bewohnten Sandžak bis zur Grenze Serbien/Kosovo.

Im Winter ist diese Strecke über die holprigen und engen Gebirgsstraßen nicht empfehlenswert. Doch trotz der Hitze entscheide ich mich für die alte Route, denn da gibt es eine besser ausgebaute Straße, die über die bosnische Grenzstadt Rudo über ein Stück Serbien nach Montenegro, dann wieder durch Serbien und schließlich an die Grenze des Kosovo führt. Man muss eben zeitig aufstehen, denke ich mir.

Um vier Uhr geht es in Sarajevo los. Die Dämmerung taucht die Wiesen der Hochebene von Rogatica in rötliches Licht. Pferde und Rinder grasen. Die Straße folgt einer wilden Schlucht hinunter ins Drinatal. Über eine Brücke und viele Tunnel, an deren Ende schroffe Felswände aufragen, schlängelt sie sich bis an die Grenze zu Serbien.

Die bosnischen Grenzbeamten winken den Reisenden verschlafen durch. Auf der serbischen Seite werden die Papiere genau begutachtet. Nach zehn Minuten heben die serbischen Beamten mit dem Gruß „Srećan Put“ den Schlagbaum. Schon sind 130 Kilometer geschafft. Jetzt 80 Kilometer durch Serbien. Im Schnitt Tempo 65 ist möglich. Das ist für den Balkan klasse. Zügig geht es weiter. In Prijepolje ein kleiner Stau. Einheimische schlüpfen durch enge Gassen, um das Hindernis zu umgehen. Nichts wie hinterher und zurück auf die Hauptstraße. Schon kommt die serbische Seite der Grenze zu Montenegro.

Da stehen sie: die Laster, die man mit dem Pkw noch umfahren kann. Doch etwa zehn Autos trennen mich von den Grenzern. Die Minuten verrinnen. Endlich. Die Papiere wandern in das Häuschen. Drinnen schwitzt der Beamte an einem neuen Computer. Mit zwei Fingern tippt er die Angaben im Pass und Kraftfahrzeugschein ab, vertut sich am ungewohnten Gerät, beginnt von vorne. Eine Stunde vergeht.

Ein paar Kilometer weiter die Montenegriner. Alle sind sehr freundlich. Aber es dauert. Immerhin schreibt hier der Beamte etwas zügiger. Weiter geht’s. Durch die schwarzen Berge, vorbei an Felshängen und Abgründen, Kurve auf Kurve, hinauf auf über 1.500 Meter, hinunter nach Rožaj und dann wieder an die Grenze. Jetzt geht’s bei den Montenegrinern schneller. Und auch bei den Serben. Nach 30 Kilometern Serbien die Grenze zu Kosovo. Die serbischen Beamten sind mürrisch. Langsam, aber korrekt. Auf der Kosovo-Seite stehen UN-Leute. Und einige Kosovo-Polizisten. Sie sind zwar nur neugierig, aber auch das kostet Zeit. Immerhin, Kosovo ist erreicht. Jetzt kommen nur noch die Checkpoints an der Demarkationslinie zwischen dem serbischen und dem albanischen Teil. Mit der UN-Pressekarte ist das kein Problem. Insgesamt 9 Stunden, 20 Minuten dauerte es bis Prishtina. Auf dem Rückweg werde ich mir vier Grenzen sparen – und doch über den Sandžak fahren. ERICH RATHFELDER