nebensachen aus taschkent : Von der alltäglichen Präsenz und Abzockerei der usbekischen Ordnungshüter
„Schon wieder ein Bulle geboren“
Redewendungen können verräterisch sein, noch dazu, wenn sie nicht besonders alt sind. Wenn junge Leute in Usbekistan zusammensitzen, und es entsteht einer kurzer, unangenehmer Moment des Schweigens, wird bestimmt einer sagen: „Jeschtscho mussor rodilsja!“ und die anderen werden lachen. Mussor, was auf Russisch „Müll“ bedeutet, ist der wenig schmeichelhafte Kosename für die Polizei. Also insgesamt so viel wie: „Schon wieder ein Bulle geboren!“
In einem Polizeistaat ist die Polizei nie besonders gern gesehen, aber in Usbekistan ist sie völlig unbeliebt. Nach konservativen Schätzungen gibt es allein in der Hauptstadt Taschkent 60.000 Polizisten. Für eine Stadt mit mehr als zwei Millionen Einwohnern hört sich das nicht viel an, aber genau das ist es.
Wenn man vielleicht gerade etwas Böses gedacht hat und wieder den Blick hebt, sieht man garantiert einen Mann oder zwei in der moosgrünen Uniform an einer Ecke herumlungern. Es gibt sie fast immer und überall. In den U-Bahnen, wenn sie zur Arbeit oder von dort nach Hause fahren, in den Märkten, wenn sie einkaufen, in den Restaurants beim Mittagessen und in den Wohnvierteln, wenn sie einfach nur herumlaufen.
Am schlimmsten ist es jedoch an den Straßen. Die Polizisten haben sich an fast allen Kreuzungen postiert und halten mit ihren roten Leuchtstäben willkürlich jeden an, der des Weges kommt. Die Fahrer stöhnen kurz auf, greifen zu Autopapieren und Geldbeutel, steigen aus und verhandeln. Nach einer Weile bezahlen die Fahrer, meistens so umgerechnet einen Euro, bekommen keine Quittung und fahren weiter.
Der Ausflug in die sich majestätisch, rund 70 Kilometer östlich von Taschkent erhebenden Berge wird so zum Abenteuer. Selbst am Sonntag hat sich alle paar Kilometer ein Wegelagerer postiert. Was sie kontrollieren, habe ich noch nicht verstanden. Denn kein Autofahrer hat eine Versicherung, und dass sich die Polizisten einmal Reifen oder Blinker angeschaut hätten, habe ich auch noch nicht gesehen.
Natürlich muss man auch die Polizisten verstehen. Wie alle Staatsangestellten hier verdienen sie nicht viel, und sie haben für ihr Amt investieren müssen. Als einfacher Verkehrspolizist mehrere hundert Euro. Wenn sie einen guten Platz an einer viel befahrenen Straße gekauft haben, müssen sie sogar etwas mehr an ihre Vorgesetzten abführen. Und um in eine Führungsposition zu kommen, muss man sogar mehrere tausend Euro investieren. Zumeist leihen sich die Beamten das Geld aus der ganzen Verwandtschaft zusammen, und deshalb müssen sie die Investition durch Bestechungsgelder wieder zügig hereinbekommen.
Das erklärt wohl auch, dass die Mutigeren unter ihnen sogar bei Ausländern klingeln. Bei denen könnte ja etwas nicht in Ordnung und deshalb zu holen sein. Sie kommen ausschließlich nach neun Uhr abends, damit wirklich klar ist, was sie wollen. Aber ich wollte doch noch etwas anderes erzählen. Was war es doch gleich? Ähm … o Mann, so was Blödes: Schon wieder einer geboren! PETER BÖHM