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Archiv-Artikel

nebensachen aus split Bei aller Liebe zur EU: Kroaten bleiben gerne unter sich

Die Frau aus dem kroatischen Slawonien kreischt schrill ins Mikrofon: „Da kommen einfach diese Vögel aus dem Süden, aus Serbien, hierhergeflogen, das sind doch gar nicht unsere Vögel. Die haben andere Flügel und sehen ganz anders aus.“ Der Reporter des kroatischen Fernsehens konnte sie kaum beruhigen. Die bescheidene regionale Globalisierung der Vogelwelt machte ihr sichtlich zu schaffen. Die Krähen aus Serbien als Symbol für die Abwehr des „Fremden“, das war doch mal eine überraschende Variante eines alten Themas.

Natürlich befürwortet die große Mehrheit der Bevölkerung eine Integration in die EU. Aber diese Perspektive löst zuweilen auch Ängste aus. Man braucht nur die Fernseh- und Radioprogramme in den Ländern Südosteuropas zu verfolgen, um in diese Gedankenwelt einzutauchen. Aufgeregte Anrufer bei Radiosendungen über die EU-Integration zeigen sich besorgt, ob die Kroaten ihre Religion auch in der EU noch leben könnten. Die Verderbtheit der Moderne könnte die eigene Welt verändern.

Manche wollen eingeigelt bleiben, um so das überschaubare Leben zu beherrschen. Wie manche Katholiken. Noch schaltet der Priester in einem dalmatinischen Dorf die Lautsprecher an, wenn er eine Messe hält. Die Schäfchen, die nicht in die Kirche gegangen sind, brauchen dank der Beschallung die fromme Andacht nicht zu missen. Doch für Nicht- oder Andersgläubige stellt dieses Verhalten Terror dar. Und könnte als solcher nach europäischem Rechtsverständnis vor einem Gericht verhandelt werden.

Eine in Kroatien sehr beliebte Sendung bringt Berichte aus vielen Ländern dieser Erde. Doch nach der Sendung hat man über die fernen Länder und deren Menschen fast nichts erfahren. Wohl aber über die Kroaten, die dort leben. Und ihre Probleme mit der Identität. Da geht es darum, wo die Treffpunkte der Kroaten sind, wie nahe die nächste katholische Kirche ist, wo der Gottesdienst in der Heimatsprache abgehalten wird. Ob und wie man die richtigen Lebensmittel für die eigene Küche bekommt und wie wenig die Regierung dafür tut, das Kroatentum in der Ferne zu fördern.

Ausländer sind willkommen. Als Touristen. Am liebsten wäre es den Kroaten, die Touristen gäben ihr Geld an der Grenze ab und kehrten um, witzelte einmal eine bekannte Kolumnistin. Aber dieser Spruch ist schon über 20 Jahre alt. Und damit verjährt. Wer aber in dem Land als Ausländer leben will, stößt nicht nur auf offene Arme. Nicht nur die ukrainische Tourismusexpertin, die, mit einem Afrikaner verheiratet, wegen des täglichen Rassismus nach einigen Jahren entnervt wieder die Koffer packen musste. Da gibt es ähnliche Beispiele auch in Deutschland. Doch selbst in Kroatien arbeitende Mitteleuropäer stehen im Geruch, den „eigenen Leuten Einkommen wegzunehmen“. Auch dann, wenn sie für ausländische Firmen arbeiten. Erst der Hinweis, hunderttausende von Kroaten lebten und arbeiteten in Deutschland, der Schweiz oder Österreich, hinterlässt Nachdenklichkeit. Der Weg nach Europa ist keine Einbahnstraße. ERICH RATHFELDER