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Archiv-Artikel

nebensachen aus rom Die rot-weiß-grünen Magenwände des Bürgermeisters

Faschist würde Gianni Alemanno sich nie und nimmer nennen – wenigstens nicht in der Öffentlichkeit. Schließlich ist der Spitzenpolitiker der mit Berlusconi verbündeten (und 1995 aus der faschistischen Partei hervorgegangenen) Alleanza Nazionale ein demokratisch gewendeter Politiker, und schließlich wurde er im April gar zum Bürgermeister Roms gewählt.

Gewiss, bei den Siegesfeiern am Kapitolspalast fielen damals einige Anhänger unangenehm auf; begeistert reckten sie den Arm zum römischen Gruß und brüllten dazu „Duce, Duce, Duce!“ Doch der Vorfall war schnell ad acta gelegt. Bloß „folkloristischer Natur“ seien die alleine von „verständlichem Überschwang“ geleiteten Freudenkundgebungen der jungen Männer mit den tätowierten Muskelpaketen und den rasierten Schädeln gewesen, beschlossen die Politiker des Berlusconi-Lagers, eifrig unterstützt vom Gros der Medien.

Dass lieb gewordene Traditionen da als „bloße Folklore“ abgestempelt werden, das hat Gianni Alemanno nicht verdient. Im Kopf mag er die Wende zur Demokratie vollzogen haben; doch im Bauch ist er Faschist geblieben, wie er mit einer seiner ersten Amtshandlungen bewies. Seit Herbst 2007 – da regierte in der Stadt noch die Linke unter Bürgermeister Veltroni – gab es in Roms Grundschulen einmal pro Monat mittags ein „ethnisches Menü“. Statt Tortellini oder Mozzarella kam Hühnchen in Curry aus Bangladesch oder eine Suppe aus Rumänien auf den Tisch. „Ogni mese un paese“ – „jeden Monat ein Land“ hieß die Aktion, und so bescheuert der Titel „ethnisches Menü“ war, so ehrenwert präsentierte sich das Anliegen: Auch die immer zahlreicher werdenden Kinder aus Einwandererfamilien sollten sich wenigstens ab und zu mal in der Schulmensa zu Hause fühlen, während die alteingesessenen italienischen Kids ein bisschen was lernen sollten über fremde Länder und Kontinente.

Zu viel für Gianni Alemanno. Ihm drehte sich bei dem bloßen Gedanken der Magen um – und umgehend strich er den fremdländischen Fraß. Ende Juli dann rückte er schließlich mit dem Motiv für die Blitzaktion gegen „das komische Experiment“ heraus: „Die Kinder haben entweder gar nichts gegessen, oder aber sie bekamen Bauchschmerzen.“ Erhebungen brauchte Alemanno für diese Behauptung nicht; ihm reichte die bloße Annahme, dass die Mägen der römischen Grundschulkinder genauso in den Nationalfarben grün-weiß-rot angestrichen sind wie sein eigener. Überhaupt sei die ganze Völkerfreundschaftsaktion „ein ideologischer Kreuzzug“ gewesen, legte seine Dezernentin fürs Schulwesen, Laura Marsilio, nach.

Roms Kinder sind, dank Alemanno, gerade noch einmal davongekommen. Jetzt essen sie wieder, ganz unideologisch, heimattreu und erdverbunden. Schließlich ist, so Alemanno immer noch ganz unideologisch, auch beim Essen „die Identität ein wichtiger Faktor“, und die wollen wir uns doch nicht von Bangladeschis, Rumänen oder Muselmännern versauen lassen. Aber über den Tellerrand vermag der Mann durchaus zu schauen. Im nächsten Schuljahr gibt es einmal pro Monat statt ethnischer „typische Menüs“, dürfen sich die Kinder durch die reiche Vielfalt der italienischen Küche futtern. Da putzen die Kleinen dann den Teller leer, natürlich diesmal ganz ohne Bauchschmerzen – und der Duce hätte sich auch gefreut über so viel Vaterlandsverteidigung bei Tisch.MICHAEL BRAUN