nebensachen aus islamabad : Hupverbot regelt noch keinen Verkehr
Das Hupen gehört zum Straßenverkehr in Pakistan wie die Uniformen zur Politik. Jeder weiß zwar, dass es auch ohne ginge, da aber alle daran gewöhnt sind, stört es niemanden. Die wenigen FußgängerInnen in Islamabad werden von Fahrradfahrern aus dem Weg geklingelt, RadlerInnen von Motorradlern, diese von Autos und jene von Bussen und Trucks angehupt. Von der Fahrradklingel über die standardisierte Zweitonhupe hin zur mehrtonigen Melodie der Trucks: In Pakistan wird nach Gehör gefahren und nicht nach Regeln. Das Recht auf Vorfahrt bestimmt sich nach der Leistung des Motors, der Position des Fahrers und der Größe des Gefährts, und das alles drückt sich in Ton und Intensität der Hupe aus.
Damit soll nun Schluss sein. Modellhaft wird Islamabad genannt, das in den 50er-Jahren an Reißbrettern eines griechischen Architektenbüros entstand und seit 1970 in den Dschungel am Fuße des Himalajas gebaut wird. Modellhaft für das ganze Land soll das Hupverbot werden, das seit Anfang des Jahres auf Plakaten propagiert wird. Mit einer „Verkehrsbewusstseins- und -bildungskampagne“ startete Polizeigeneralinspekteur Iftikkhar Ahmed die Initiative, auf Wunsch von Premierminister Shaukat Aziz. Der will Verkehrsregeln durchsetzen, um den reibungslosen Fluss auf den Straßen zu gewährleisten. Zentrales Element der Kampagne ist das Hupverbot und das Halten bei Rot. Zur Hilfe beim regelgerechten Abbiegen sollen Polizisten geschult werden.
Aziz machte eine Karriere als Banker in den USA, bevor er nach dem Putsch von General Pervez Musharraf zunächst als Finanzminister berufen und vom Präsidenten in Uniform im Sommer 2004 zum Regierungschef ernannt wurde. In diesen Funktionen ist er jedoch mehr Anlass als Lösung für die Probleme im Verkehr von Islamabad und anderen Großstädten. Aziz’ Wirtschaftspolitik ist es zu verdanken, dass sich die Zahl der Fahrzeuge auf Pakistans Straßen sichtbar verdoppelte. Erstmals durften 2005 Fahrzeuge auf Kredit erworben werden. Hinzu kommen die Beamten- und Offiziersgeschenke in Form von Hondas, Toyotas oder Mercedes-Limousinen, letztere natürlich kugelsicher.
Neben der Zahl der Fahrzeuge sind es die Bewegungsfreiheit und das Sicherheitsbedürfnis der Eliten, die den Verkehr hemmen. Auf die knappe halbe Million EinwohnerInnen Islamabads kommen gerade mal 416 Polizisten, von denen alle 250 Verkehrspolizisten auf Abruf ihren Posten verlassen müssen, um die freie Fahrt von Regierungslimousinen, Armeegenerälen und Staatsgästen zu gewährleisten.
Wem das Hupen zuwider ist, der braucht Polizisten, die ihm den Weg frei räumen, wird auf Islamabads Straßen gewitzelt. Teil der Verkehrskampagne ist auch, die Zahl der Polizisten auf 709 zu erhöhen. Wenn das nicht reicht, können Aziz und Musharraf die jüngst auf Staatskosten angeschafften VIP-Jets besteigen und dem Fahrer am Boden sein Hupen lassen. Sicher, es ginge auch ohne. Doch bis die Polizisten lernen, den Verkehr zu regeln, und die Fahrer, den Blinker zu benutzen, wird wohl weiter aufs Horn gedrückt. NILS ROSEMANN