nebensachen aus brüssel : Die neue belgische Regierung und die Fehler der Vergangenheit
Zurück zur Zigarettenrepublik
Belgien ist zurück im Kreis der westlichen Demokratien. Kaum sind sie die lästigen Grünen los, haben die christlich-liberalen Koalitionäre die schlimmsten Auswüchse der vergangenen Regierungsperiode beseitigt. Oberste Priorität war es, die Formel 1 nach Belgien zurückzuholen. Da die Grünen ein Werbeverbot für Zigaretten durchgesetzt hatten, war die Rennstrecke von Spa/Francorchamps im Veranstaltungskalender der Formel 1 nicht mehr aufgetaucht. Das hat viele Belgier bewogen, im Mai nicht mehr Grün zu wählen.
Jetzt hat der Senat eine „Lex Francorchamps“ genehmigt, die Bandenwerbung nur für Spa und nur für die Formel 1 erlaubt, bis 2005 das EU-weite Tabakwerbeverbot in Kraft tritt. Ob die Rennveranstalter ihren Kalender für die paar Monate noch einmal umstellen, ist fraglich. Doch die neue Regierung hat den Wählern gezeigt, dass sie bereit ist, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.
Als Nächstes musste das Völkermordgesetz dran glauben. Es ermöglichte, dass die übelsten Gangster weltweit von ihren Opfern vor belgischen Gerichten verklagt werden konnten – ganz egal, welchen Pass sie hatten oder wo sie ansässig waren. Das Gesetz wurde von Menschenrechtlern sehr gelobt. Sogar amerikanische Staatsangehörige wie der irakische Oberbefehlshaber Tommy Franks hätten zur Rechenschaft gezogen werden können.
Als US-Verteidigungsminister Rumsfeld aber drohte, das Nato-Hauptquartier aus Belgien abzuziehen, hatten es die Politiker plötzlich nicht mehr so mit den Menschenrechten. Als dann auch noch eine Klage gegen den belgischen Außenminister Louis Michel wegen Waffenlieferungen nach Nepal einging, wollte auch der das Gesetz lieber wieder abschaffen.
Nur folgerichtig, dass er sich der politischen Verantwortung fürs Waffengeschäft gleich mit entledigte. Das kleine Belgien steht beim Waffenhandel weltweit an fünfzehnter Stelle. Im vergangenen Jahr wurden Waffen im Wert von 300 Millionen Euro exportiert und dafür von der Föderalregierung 1.000 Ausfuhrgenehmigungen erteilt – so kam Nepals Regierung zu 5.500 neuen Maschinengewehren.
Der Sprecher der Oppositionspartei Neu-Flämische Allianz nannte es heuchlerisch, dass Louis Michel sich mit seinem Völkermordgesetz zum Weltpolizisten aufspiele und gleichzeitig die Geschäftsbeziehungen zu verbrecherischen Regimen ausweite. Mit dieser Heuchelei ist nun Schluss. Nach dem reformierten Völkermordgesetz müssen Kläger und Beklagter einen direkten Bezug zu Belgien haben, damit sich die hiesige Justiz zuständig erklären darf. Ausgeschlossen sind Verfahren gegen Staatsangehörige, deren Länder einen rechtsstaatlichen Prozess garantieren können.
Tommy Franks ist damit aus dem Schneider. Ob belgische Gerichte rechtsstaatlichen Standards genügen, darf angesichts der Dutroux-Affäre und anderer Skandale bezweifelt werden. Doch Louis Michel kann trotzdem aufatmen. Künftig ist die Föderalregierung für Ausfuhrgenehmigungen für Waffen nicht mehr zuständig. Je nachdem, ob die Waffenschmiede ihren Sitz in Flandern oder der Wallonie hat, liegt der schwarze Peter bei der flämischen oder der wallonischen Regionalregierung. Damit ist in Belgien auch die Außenpolitik endlich in der Provinz angekommen.
DANIELA WEINGÄRTNER