nebeneinkünfte : Mutige Klientelpolitik
Eigentlich muss man die CDU loben: Sie ist bemerkenswert mutig. Mitten in den Wahlkämpfen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein verzichtet die Union darauf, dem Wunsch der Wähler nachzugeben. Stattdessen lässt sie deutlich erkennen, dass sie es für überflüssig hält, die Nebeneinkünfte von Abgeordneten transparenter zu gestalten.
KOMMENTARVON ULRIKE HERRMANN
Schade nur, dass die CDU diesen bemerkenswerten Mut gegenüber den Wählern gerade jetzt aufbringt – und nicht etwa investiert, um das Steuerprivileg für Kinderlose namens Ehegattensplitting abzuschaffen. Denn beim Thema Nebeneinkünfte liegt der Verdacht so nah, dass die Union nur mutig Klientelpolitik betreibt. Diesmal in der radikalsten Form, nämlich gleich für sich selbst. Das trübt die Freude an der ungewohnten Standfestigkeit.
Man könnte sie auch sture Blindheit nennen. Die CDU verhält sich als Gesamtpartei momentan genau so, wie es die einzelnen Nebenerwerbssünder schon vorgemacht haben. Man leugnet den Wandel in der öffentlichen Meinung, bis es zu spät ist. So war sich Hermann-Josef Arentz zunächst keiner Schuld bewusst – ja, er hielt es anfangs sogar für ein Gütesiegel, dass er für sein RWE-Entgelt nicht gearbeitet hat. Ein Irrtum, wie er dann lernte.
Auch die Union wird irgendwann erkennen, dass sie nicht umhinkommt, die Transparenzregeln zu verschärfen. Denn die Gesellschaft nimmt neuerdings ernst, was zum Leitspruch der Politiker und der Manager wurde: „Leistung muss sich wieder lohnen.“ Eigentlich war dies als Verteidigungsstrategie der Eliten gedacht. Doch ist die Botschaft doppeldeutig, aus ihr folgt auch, dass es Lohn nur geben darf, wo sich Leistung nachweisen lässt. Kontaktpflege und Lobbyismus sind damit nicht gemeint.
Nicht zufällig werden Politiker und Manager gleichzeitig mit der Forderung traktiert, sie sollten ihre Verdienste offen legen. Letztlich geht es um einen Verteilungskampf, der die gesamte Gesellschaft erfasst hat. Wenn die Vermögen der obersten Schichten überproportional wachsen und die Einkommen der Lohnabhängigen stagnieren – dann hören Privilegien sehr bald auf, selbstverständlich zu sein. Die Union sollte sich schon mal auf die nächste Abwehrschlacht einstellen: Es dürfte nicht mehr lange dauern, bis die üppigen Pensionen der Abgeordneten so richtig zum Skandal werden.
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