morgen : Nach dem Kirchentag: Stille suchen, zum Beispiel mit Orgelmusik
In dichten Trauben drängten sie sich in die U-Bahn, schoben einen mit sanften Druck zur Seite, immer ein freundliches Lächeln im Gesicht. Es ist Platz für alle da, sagte dieses Lächeln. Komm zu uns, wir sind viele, wir können gar nicht genug sein. Um den Hals hatten sie Bänder mit dem Kirchentagslogo hängen wie bei einem Popkonzert, sie waren überall, es gab kein Entrinnen. Doch Gott in seiner unendlichen Güte hatte ein Einsehen und beendete den Kirchentag am Sonntag, und es herrschte eine himmlische Ruhe in der Stadt. Spricht Gott denn nicht auch in der Stille zu uns? So wie in „Schlafes Bruder“ zu Johannes Elias Alder, dem Wunderkrnaben mit den gelb leuchtenden Augen, den er durch die Macht der Orgelmusik erweckt? Die Orgel ist das göttliche Instrument, durch sie spüren wir das Erhabene, und das passt natürlich am besten in ein Alpenpanorama wie in Robert Scheiders Roman. Berlin kann mit einer solcher Kulisse nicht dienen, aber große, mächtige Orgeln gibt es auch hier, zum Beispiel in der St.-Hedwigs-Kathedrale. Ein Ort der Stille mitten in Mitte, ein Steinwurf entfernt von Unter den Linden. Hierher verirrt sich kaum ein Tourist, und hier spielt am Sonntagabend Leo von Doeselaar aus Den Haag an der großen Klais-Orgel.