montagskolumne: meinhard rohr zur lage der nation im spiegel seines wissens:
Berlin im Herbst 2002. In meinem Kopf macht sich eine gespenstische Atmosphäre aus Angst, Erwartung und Ungewissheit breit. Es muss eine Herbstdepression sein, die mich davon abhält, auch nur einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Ich fühle mich wie Pippi Langstrumpf, Donald Duck und der Herr der Ringe. Die Spaßgesellschaft hat mich fest im Griff. An einem solchen Tiefpunkt hilft nur eins: Rückschau, Rückblick, Rückblende. 1968, als auch ich leider noch zu den Linken gehörte, war die Welt ernster, ernsthafter, ernstlicher. Entdeckten wir doch beim Studium der gesellschaftlichen Probleme uns selbst und ein philosophisches Gesetz, an das ich mich noch heute halte: Mit leerem Kopf denkt es sich leichter. Oder wie Jean-Paul Sartre im Film „Viva Zapata!“ ausruft: „Augen zu und durch“. Was wir heute brauchen, ist eine zirkuläre Abstraktion, die im Bruchteil einer Sprechsekunde eine tautologische Bauchlandung auf dem nächstliegenden Allgemeinplatz vollführt. Besser kann man es nicht sagen.
Diese Kolumne erscheint in loser, aber leider häufiger Folge.
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