mein islam : Kenan Kolat: „Religion sollte Privatsache bleiben“
Kenan Kolat stammt aus Istanbul und lebt seit 1981 in Berlin. Der 45-Jährige hat als Sozialberater für die Integrationshilfe und den türkischen Elternverein gearbeitet und ist heute Geschäftsführer des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg. Mit der taz sprach er in dessen Geschäftsräumen am Tempelhofer Ufer.
„Der Islam ist für mich in allererster Linie eine Herzensangelegenheit. Als Muslim versuche ich anderen gegenüber immer im Sinne der Gerechtigkeit zu handeln. Gerechtigkeit und Liebe zu den Menschen sind nach meiner Auffassung die zentralen Themen des Islam, so jedenfalls lese ich es im Koran. Der Koran ist für mich ein Stück Hilfestellung für das Leben auf dieser Welt und ich versuche das, was ich dort lese, auf meinen Alltag zu übertragen. Wer nach dem Herzen lebt, lebt auch nach dem Koran. Als moderner Mensch bin ich überzeugt, dass man den Islam auch in Industrieländern problemlos ausleben kann. Ich finde aber, man sollte als Muslim seine Religiosität nicht aggressiv nach außen tragen. Natürlich muss man die Diskussion um die Anerkennung des Islam in Deutschland öffentlich führen, aber das Ausleben der eigenen Religion sollte Privatsache bleiben. Leider gibt es Gruppen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft, die den Islam politisch verstehen und ihn in der Öffentlichkeit für ihre politischen Anliegen nutzen. Man darf aber nicht alle Muslime in einen Topf werden. Ich gehöre zu der schweigenden Mehrheit der Muslime, die ihren Glauben in sich tragen und im Stillen praktizieren. Ich gehe nicht in die Moschee, sondern bete zu Hause. In den Augen vieler Nichtmuslime macht mich diese Haltung dann zum Prototyp des ‚guten Moslems‘, der ihnen nicht bedrohlich erscheint. Das ist natürlich genauso absurd wie der Vorwurf vieler anderer Muslime, ich sei nicht wirklich gläubig, nur weil ich nicht in die Moschee gehe.“ PROTOKOLL: ALENA SCHRÖDER