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Archiv-Artikel

lob des old-school-arabs von HARTMUT EL KURDI

Je heißer die Tage werden, je rotgesichtiger meine Mitmenschen, je saftiger die Achselhöhlen, je frettchenähnlicher die über der Stadt liegenden Gerüche, desto mehr werde ich zum Araber. Jedoch nicht etwa, weil der in mir schlummernde Beduine das ganze Jahr auf eine Hitzewelle wartet und nun vor Freude über die Temperaturen wilde Derwischtänze auf dem vom solaren Dauerbeschuss aufgeweichten Straßenasphalt vollführt. Nee, nee, im Gegensatz zum naiven Europäer weiß der Araber nur zu gut, dass die Sonne des Mannes schlimmster Feind ist und nichts anderes im Sinn hat, als zu zerstören und zu töten: Sie will seine Schafe und Kamele bei lebendigem Leib grillen, seine Kinder verdursten lassen und seine Frau, eine üppige morgenländische Schönheit, langsam, aber sicher in eine vertrocknete Dattel verwandeln.

Aber nicht nur seinen Besitz, seine Lieben und damit sein Leben will die Sonne dem Mann nehmen, sondern vor allem seine Würde. Sie will, dass er Bermudas trägt, Freizeithemden, Flip-Flops gar … – schließlich soll er Badeanstalten aufsuchen, sich den haarigen Rücken verschmurgeln lassen und es dann erfrischend finden, in speichelwarmes Chlorwasser zu hopsen.

Und da sagt der Araber in mir laut und deutlich: NEIN! Mein Bild vom Arabertum ist allerdings ein leicht anachronistisches, da meine Verbindung zu dieser Kultur Ende der Sechzigerjahre abrupt abbrach. Damals war man in meinem Geburtsland Jordanien entweder altmodisch und schützte seinen Körper mit Hilfe des folkloristischen Nachthemd-Looks vor der Wüstensonne oder man orientierte sich am Westen und verhöhnte die sengende Naturgewalt mit lässiger britischer Kolonial-Eleganz.

So hat mein Vater zeit seines Erwachsenenlebens nie kurze Hosen getragen. Er trat der Welt prinzipiell vollständig bekleidet gegenüber, entweder formell im Dreiteiler oder leger mit heller Hose, Clubjacke und Halstuch – und ordentlichem Schuhwerk am Fuß. Wenn er dann doch einmal das Jackett auszog, wirkte er in seinem tadellos gebügelten, kurzärmligen Oberhemd immer noch entschieden eleganter als jeder verzweifelt schicke deutsche Opernbesucher. Zum Omar-Sharif-Gentleman-Style meines Vaters gehörte es selbstverständlich auch, sich mit dem Messer perfekt rasieren zu lassen, eine dezente Golduhr am Handgelenk und das Geld lose in der Hosentasche zu tragen. Da passte wirklich alles zusammen. Nur charakterlich hatte er einige Ausfälle, aber gut, man kann nicht alles haben.

Ich jedenfalls versuche nun der Familientradition zu folgen und mich mit meinen bescheidenen Mitteln ebenfalls der sommerlichen Verwahrlosung, der Trias von Schweiß, Shorts und Sandaletten, entgegenzustellen. Und deswegen schließe ich jetzt auch, denn um wirklich orientalisch elegant mit der Hitze umgehen zu können, muss man seinen Tagesablauf strengen, aber entspannenden Regeln unterwerfen. Ganz wichtig: wenig bewegen, nicht rumlatschen, tagsüber in abgedunkelten Räumen sitzen, viel Tee trinken – und so wenig wie möglich arbeiten.