lexikon der globalisierung : Was bedeutet denn eigentlich globales Lernen?
Globales Lernen will eine Antwort auf den Wandel geben, der durch die Globalisierung weltweit hervorgerufen wurde. Inhaltlich handelt es sich um ein thematisches Sammelbecken aus Umwelt-, Menschenrechts-, Friedens- und Genderpädagogik sowie interkultureller und entwicklungspolitischer Bildungsarbeit, immer eingebettet in eine globale Perspektive: Zusammenhänge wahrnehmen, diese kritisch hinterfragen und sich dabei selbst im Netz der Globalisierung verorten. Dabei gilt es, die eigene Lebensform und -gestaltung vor allem hinsichtlich ökologischer und sozialer Veränderungsprozesse zu überdenken beziehungsweise neu zu definieren. Global Lernende reflektieren dadurch ihre eigene Identität.
Eine klare entwicklungstheoretische Grundlage weist das Konzept des globalen Lernens nicht auf. Am ehesten orientiert es sich am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung und der darin geforderten selbstbestimmten BürgerInnenbeteiligung.
In manchen Studien wird eine neue internationale Strukturpolitik mit umfassender Konfliktprävention und -bearbeitung sowie die Einhaltung der Menschenrechte gefordert. In seiner Aufforderung, dort über Rechte zu sprechen und zu reflektieren, wo diese durch die Globalisierung unterdrückt werden, liegt eine der größten Chancen globalen Lernens.
Gleichzeitig verbirgt sich darin aber auch eine Gefahr: Die negativen Auswirkungen der Globalisierung können nicht allein durch reflexive Lernprozesse verändert werden – selbst dann nicht, wenn damit einzelne Akteure zum Handeln angeregt werden. Die Zielvorstellungen der global Lernenden sind, was die Umgestaltung der Welt betrifft, oft nur vage definiert – wobei diese Offenheit auch als Chance begriffen werden kann.
Zudem wird die Diskussion um globales Lernen in Europa meist abgekoppelt von der in anderen Kontinenten geführt. Als „europäisches Produkt der Globalisierung“ und innerhalb derzeit herrschender bildungspolitischer Vorgaben sind Konzept und Lernsubjekte selbst in die Widersprüche der Globalisierung verwickelt. Globales Lernen suggeriert zudem ein so nicht vorhandenes Bild von der „einen Welt“, in der Umwelt- und Entwicklungsprobleme scheinbar gemeinsam bewältigt werden können. Das Zusammenwachsen und kollektive Gestalten der globalisierten Welt steht uns aber weitgehend noch bevor.
LINDA HELFRICH
www.globaleducation.dewww.wusgermany.deDas Lexikon der Globalisierung erscheint immer montags in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat von Attac