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Archiv-Artikel

leserinnenbriefe

■ betr.: „Schluss mit Schmalspurstudium und Turboschule“,taz vom 16. 6. 09

Kritisches Denken ist Mangelware

Dass in diesem Land die schweigende Mehrheit überwiegt, ist schon entsetzlich. Dass es Vereinigungen gibt, die sich das wohlklingende Wort „demokratisch“ auf ihre Fahne schreiben und vor jenen warnen, die ihre Rechte wahrnehmen, sie als „Krawallmacher“ und „Chaoten“ bezeichnen und grundsätzlich als „links“, wenn nicht sogar „linksradikal“ einstufen, ist erschütternd – und gefährlich! Diese Menschen scheinen vor lauter Angst vor demonstrierenden Schülern und Studenten zu vergessen, was der Sinn des bundesweiten Bildungsstreiks ist: die Politik, und damit meine ich alle Menschen in diesem Land, wachzurütteln.

Man muss kein Anhänger der Linkspartei sein, um die massiven Missstände in unserem Bildungssystem zu erkennen. Und man muss kein Radikaler sein, um seine durch das Grundgesetz geschützten Rechte auf freie Meinungsäußerung und das Versammlungs- und Streikrecht wahrzunehmen. Ärgerlich ist, dass Schüler und Studenten es bundesweit nicht schaffen, sich in ausreichend großen, parteilosen Vereinigungen zu organisieren – und somit den Parteien in die, besonders während des Wahlkampfes, weit geöffneten Arme laufen, die sich dann das Engagement Protestierender auf ihre Fahnen schreiben. Ärgerlich ist hier auch das geringe Engagement der Lehrkräfte. Dabei ist deren Situation doch auch nicht besser. Kritisches Denken ist Mangelware. Mancherorts sogar unerwünscht. Eine demokratische Gesellschaft kann nur durch Engagement, Solidarität, Respekt und stetes Hinterfragen existieren. Demokratie verwelkt durch die Beschneidung freiheitlicher Rechte und unter der hitzigen Debatte ihrer Gegner.

FRIEDERIKE WEBER, Hannover

■ betr.: „Die zehn deutschen Bildungskrisen“, taz vom 17. 6. 09

Zu einfache Vergleiche

Das Ranking von Christian Füller und Wolf Schmidt geht von zu einfachen Vergleichen aus. Denn hohe Kita-Beiträge bedeuten zum Beispiel noch lange nicht, dass die Forderung nach einer kompletten Abschaffung der Campus-Maut einseitig und überzogen wäre. Schließlich liegt Deutschland, was die Studienanfängerquote betrifft, in Europa immer noch ziemlich weit hinten. Es ist deshalb nicht nur ein soziales Gebot der Fairness, sondern auch ökonomisch intelligent, auf finanzielle Barrieren zum Hochschulzugang zu verzichten.

Staaten wie Dänemark, die stattdessen lieber jedem Studenten ein Stipendium gewähren, stehen nicht ohne Grund wirtschaftlich viel besser da! RASMUS PH. HELT, Hamburg

■ betr.: „Wer gerne gibt. Ohne eine abgabenbereite Mittelschicht gibt es keine gerechte Gesellschaft. Die linken Parteien haben damit ein Problem“, taz vom 16. 6. 09

Relevante Einnahmen erzielen

Sehr richtiger Artikel von Barbara Dribbusch. Nur ein „begrenztes Projekt“ möchte ich ergänzen: eine Neubewertung des Immobilienvermögens. Dass Immobilien nämlich gegenüber Kapital bevorzugt behandelt werden, führte bis dato zu dem Verfassungsgerichtsurteil, das die Vermögenssteuer kippte (übrigens unter Vorsitz von Paul Kirchhof). Würde man diese Grundlage schaffen, könnte man auch mit einer geringen Vermögensteuer und einem sehr hohen Freibetrag relevante Einnahmen erzielen.

ROBERT HABECK, Großenwiehe

■ betr.: „Wer gerne gibt“, taz vom 16. 6. 09

Privatvermögen zurückverteilen

Wer gerne geben würde und auch dazu in der Lage wäre, kann man hier nachlesen: www.appell-vermoegensabgabe.de

Warum ausgerechnet die „Mittelschicht“ in der Pflicht steht, die Gesellschaft gerechter zu machen, ist mir ein Rätsel. Und wenn die „Reichen“ bei einem Bruttoeinkommen von 10.000 Euro anfangen, weiß ich nicht, ob Barbara Dribbusch unterscheiden kann zwischen Einkommen und Vermögen. Um es klar zu sagen: nicht die hohen Einkommen sind das Problem, sondern die hohen (exponentiell wachsenden!) Vermögen. Die geforderte Überschaubarkeit in der Sozialpolitik hat mit Überschaubarkeit der Umverteilung zu tun. Hier dominiert in Summe nur eine Richtung der Umverteilung. Und dabei handelt es sich sehr wohl um ein „Übermaß an Umverteilung“, nämlich von Arm zu Reich! Man kann das auch als eine „bestimmte Fehlsteuerung des Kapitalismus“ bezeichnen. Man kann es aber auch deutlicher sagen: Das durch die Geldvermehrungsmechanismen leistungslos angehäufte Privatvermögen auf den Konten weniger muss in Schritten zurückverteilt werden, um den nächsten Kollaps zu verhindern. Die gegenwärtige Krisen sind doch Alarm genug, oder?

DIETER STOMPE, Erfurt

■ betr.: „Wer gerne gibt“, taz vom 16. 6. 09

Nichts als Kosmetik

Genau, die „drei linken Parteien“ haben nichts als Kosmetik anzubieten: ein paar zaghafte Steuerprozente von Großverdienern, statt den ganzen hintenrum kapitalisierten Mehrwert zu beschlagnahmen oder wenigstens richtig zu besteuern und wieder in die Volkswirtschaft bzw. in den „Sozialstaat“ einzubringen; dazu Unsummen an Kapitaleigner, um wenigstens das Drittel oder Viertel von noch tariflichen Arbeitsplätzen zu „sichern“, statt die Arbeit und den Profit insgesamt gerecht zu verteilen und umfassende „Grundsicherung“ für alle zu gewährleisten… Wieso „muss taz sein“, wenn sie mittlerweile den „drei linken Parteien“ empfiehlt, den taz-lesenden „Bionade-Mittelstand“ von Zahnärzten, Apothekern, Ingenieuren, Hochschuldozenten, Staatsanwälten, Bankangestellten, Szenekneipiers usw. nicht zu vergrätzen, indem man dessen (gegenüber den paar wahren Heuschrecken harmlose) Privilegien zugunsten der ausgemusterten Habenichtse zu beschneiden droht? PETER STEBEL, Berlin