piwik no script img

Archiv-Artikel

leserinnenbriefe

■ betr.: „Schüler dürfen weiter Noten geben“, taz vom 24. 6. 09

Lebenslanges Spießrutenlaufen

Auch Richter waren einmal Schüler, und so verwundert es kaum, dass der BGH – vermutlich aus einem unverdauten Hass gegen (die ehemaligen) Pauker – zu solch einem Urteil kommt. Mit einem gewissen Schmäh wird die „benotete“ Pädagogin mit diesem Urteil zum lebenslangen Spießrutenlauf durch die Reihen der nun „frei kommunizierenden“ Schüler verurteilt. Wer das für demokratisch hält, hat – trotz juristischer Titel – den Sinn unserer Verfassung nicht richtig verstanden. BERND H. SCHOEPS, Bochum

■ betr.: „‚spickmich‘-Urteil: Meilenstein für eine neue Lernkultur“, taz 24. 6. 09

Nichts wirklich Aufklärendes

Mit Verlaub, aber der Ansicht des Kommentators ist schlicht eine absolute Weltfremdheit zu attestieren. Wer sich mit der Realität derartiger Angebote auseinandersetzt, merkt schnell: Schüler und Studierende nutzen das Angebot sicherlich ganz eifrig, aber meist aus ganz anderen Absichten als gemeinhin vorgegeben. Beispielsweise, um sich schlichtweg Luft zu machen (und nicht einem Dritten eine Orientierung zu bieten), um ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen, oder einfach, um sich schon vorab mit Vorurteilen zu versorgen. Alles zugegeben nicht wirklich schlimme Dinge, aber eben auch nichts wirklich Aufklärendes und Sinnstiftendes, was die Befürworter solcher Portale ja gerne behaupten. Im Übrigen sei daran erinnert, dass die Wahlmöglichkeiten dieser Zielgruppe in der Realität recht eingeschränkt sind. Wer kann schon alle Klassenlehrer/Profs abwählen, die ihm/ihr nicht passen? Auch sei daran erinnert, dass es diese Art „Meinungsfreiheit“ auch früher schon an den jeweiligen Institutionen gegeben hat und sich diese auch via Flurfunk einen entsprechenden Wirkungskreis verschafft hat. Man wusste, wer die Guten und wer die Schlechteren sind. Dafür hätte es das Internet nicht gebraucht. NICK GERTH, Augsburg

■ betr.: „‚spickmich‘-Urteil: Meilenstein für eine neue Lernkultur“

Rundumschlag gegen LehrerInnen

Für oder gegen Spickmich ist die eine Sache, aber der Rundumschlag gegen die LehrerInnen (!) und die Schulen mit Bild-Attributen, wie Pauker, Oberschlau, Helden, Züchtigungsmittel, Rohrstock, zeigt wenig Verständnis vom Alltag an unseren Schulen, an denen die Gauß’sche Notenverteilung schon vor Jahrzehnten beerdigt wurde. Hat sich in der taz noch nicht herumgesprochen, dass LehrerInnen schon seit Jahrzehnten hervorragend ausgebildet sind und werden? Kaum ein anderer Beruf hat eine solch lange und harte Ausbildung. WOLF LEMKE, Markdorf, Baden-Württemberg

■ betr.: „‚spickmich‘-Urteil: Meilenstein für eine neue Lernkultur“

Persönlichkeitsrechte verletzt

Grundsätzlich befürworte ich die Klage gegen die „spickmich“-Macher. Wenn Urteile über namentlich aufgeführte LehrerInnen weltweit einsehbar sind, verstößt das, denke ich, massiv gegen die individuellen Persönlichkeitsrechte – auch wenn sie wie bei „spickmich“ in Kategorien abgegeben werden müssen und nicht im Freitext verfasst werden können. Ich verstehe allerdings schon, wenn jemand – wie auch der Bundesgerichtshof – das Recht auf freie Meinungsäußerung der SchülerInnen höher gewichtet. Mitnichten wird allerdings „spickmich“ – wie Christian Füller findet – zu einer „fruchtbaren und freundlichen Rückmeldekultur“ beitragen können. Unterricht und LehrerInnenarbeit sind komplex. Die ankreuzbaren Kästchen „fachlich kompetent“, „motiviert“, „gut vorbereitet“, „cool und witzig“ etc. reduzieren diese Komplexität dermaßen, dass der Feedback-Ertrag kaum über null hinausgeht. Jedes Auswertungsgespräch mit einer Klasse nach einer Unterrichtsreihe ist hundertmal ertragreicher. Erst recht, wenn es mit einem „Brief an den Lehrer/die Lehrerin“ oder Ähnlichem gekoppelt wird. Richtig problematisch finde ich, dass die Debatte um schulische Rückmeldekultur in der Öffentlichkeit so gut wie nicht über „LehrerInnen zensieren SchülerInnen, und SchülerInnen zensieren LehrerInnen“ hinauskommt.

Für wichtig auf dem Weg zu einer wirklich fruchtbaren und freundlichen Rückmeldekultur an unseren Schulen halte ich, dass die demokratischen Mitspracherechte von SchülerInnen substanziell ausgebaut werden. So sollten SchülerInnen an ihrer eigenen Schule mitbestimmen dürfen, was und wie gelernt wird. Zum Beispiel dadurch, dass SchülervertreterInnen mit vollem Vorschlags- und Stimmrecht an der Schulentwicklung partizipieren. Es dürfte die Qualität der Rückmeldung gegenüber einem anonymen „spickmich“-Eintrag doch beträchtlich erhöhen, wenn ein junger Mensch in der AG Schulentwicklung sein SchülerInnenvotum zu den Lerninhalten und Lernformen im nächsten Schuljahr abgeben darf – und eben auch begründen muss! FRANK WINTER, Waldshut-Tiengen

■ betr.: „‚spickmich‘-Urteil: Meilenstein für eine neue Lernkultur“

Keine neue Kritikkultur

„spickmich“ ist die Schule der Denunziation und keine neue Kritikkultur. CHRISTOPH DANELZIK-BRÜGGEMANN, Düsseldorf