leserinnenbriefe :
Feigheit der Gesellschaft
■ betr.: „Der Held von München – und was er nicht verdient hat“,taz vom 14. 9. 09
Gibt es nicht den Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung? Dass ein Mann am helllichten Tag in aller Öffentlichkeit erschlagen wurde, ohne dass irgendein braver Mitbürger ihm zur Hilfe eilt, ist Ihnen keine Zeile wert.
Jugendliche Gewalttäter wissen schon lange um die Feigheit der Gesellschaft, sie wissen, dass sie auch am helllichten Tage auf bevölkerten öffentlichen Plätzen ihre Gewalttaten begehen können, in der guten Gewissheit, dass fast immer alle Unbeteiligten wegsehen werden. MARGARETE KROSCHEWSKI-BRESLER, Stade
Gewalt in vielen Formen
■ betr.: „Tödlicher Angriff an Münchner S-Bahnhof“,taz vom 14. 9. 09
Wann beginnen wir endlich einmal darüber nachzudenken, worin sich derartiges Sozialverhalten in dieser Gesellschaft entwickelt, steten Nährboden erhält? Brutale Gewalt ist zu einer Erscheinung geworden, die nicht mehr mit den berühmten schwarzen Schafen erklärbar ist. Welche Verhaltensweisen vermitteln sich tagtäglich jungen Menschen auf den verschiedensten Gebieten des gesellschaftlichen Lebens? Gewalt in vielen Formen steht nicht selten für Kraft, Stärke, Durchsetzungskraft und Erfolg. Oft ist sie geradezu gefordert, nur wird ihr nicht das negative Vorzeichen verliehen. Hat das Thema, das nun einige Tage oder Wochen in der Diskussion sein wird, nicht auch etwas mit Solidarität untereinander, gegenseitiger Achtung, Hilfe und Unterstützung zu tun? Könnte es nicht sein, dass das gesamte Sozialverhalten in der Gesellschaft seit Jahren und besonders mit der neoliberalen Ausrichtung sehr großen Schaden genommen hat? Ein Zusammenhang besteht ganz sicher.
ROLAND WINKLER, Remseck
Kein Geld für Schaffner
■ betr.: „Tödlicher Angriff an Münchener S-Bahnhof“
Anfang der Achtzigerjahre habe ich als Vorsitzender der Bürgergemeinschaft Rathenauplatz an die Stadt Köln einen Bürgerantrag gestellt, der die Wiedereinstellung von Schaffnern in den Kölner Verkehrsbetrieben beinhaltete. Bürgermeister Blens antwortete mir schriftlich, dieses Vorhaben wäre nicht finanzierbar.
Nach dem Münchner Totschlag ruft man jetzt nach Sicherheitspersonal im öffentlichen Personennahverkehr. Schaffner böten aber nicht nur mehr Sicherheit, Serviceleistungen wie Auskunft, Hilfe für Behinderte, Verkauf von Tickets, Schaffung von unzähligen Arbeitsplätzen wären dankbare Effekte.
Nach meiner Einschätzung wird unser Bürgerantrag auch in Zukunft nicht realisiert; stattdessen fordert man Verschärfung des Jugendstrafrechts. Arme Republik! HERBERT TERHAG, Köln
Wie wäre es mit Personal?
■ betr.: „S-Bahn-Mord. Die einfachen Antworten“, taz vom 16. 9. 09
Wieso mehr Polizei? Wenn wir uns ein Ticket für eine Beförderung kaufen, dann erwarten wir, dass weder unsere Kinder abgezogen noch unsere Männer ermordet werden. Die Transportunternehmen sind nicht nur dafür verantwortlich, dass der Fahrer einen Führerschein hat oder die Bremsen funktionieren, sie müssen auch dafür sorgen, dass uns während der Nutzungsdauer nichts Unredliches geschieht. Automaten und Kameras scheinen dazu nicht auszureichen, und dass dann ehrenamtliche Zivilcourage gefordert wird, ist unglaublich. Wie wäre es – zartbesaitete Manager, bitte nicht weiterlesen! – mit Personal? DANIELA SELBERG, Hannover
Förderung von Dummheit
■ betr.: „Deutsche Bildungsarmut“, taz vom 9. 9. 09
In diesem Staat zu studieren, ohne Tochter eines Millionärs zu sein, ist schwer geworden. Als Bafög- und Studiendarlehensbezieher macht es viel Freude, sich mit 10.000 Euro Schulden nach dem Studium auf der Straße zu finden. Studiengebühren für Bafögbezieher, denen der Staat bereits zugestand, dass studieren ohne finanzielle Hilfe nicht möglich ist, mit zusätzlichen Geldforderungen zu belasten, ist eine Schande. Leider kommt in dem Artikel dieser Grund für weniger Studierende zu kurz.
Bildung und Kultur an die letzte Stelle des Staates zu stellen ist nicht nur Förderung von Dummheit, sondern auch Verrat am „Sozialstaat“. Da bleibt manch einem wohl nur die Flucht ins Ausland. Danke, Deutschland, und auf Wiedersehen! ROBINA STEYER, Köln