leserinnenbriefe :
Überzogene Forderungen
■ betr.: „Was IG Metall und Ver.di trennt“, taz vom 9. 2. 10
„Ver.di schickt ihr Personal mitten in der Krise mit überzogenen Forderungen auf die Straße“, lese ich ausgerechnet in der taz auf der ersten Seite. Kann die Gruppe der Vernunftbegabten bei der taz den Thilo Knott natürlich nicht auch auf die Straße schicken … aber vielleicht an Roland Kochs Wahlkampftruppe vermitteln!?
WALTHER FURTHMANN, Kiel
Solidarisch sein
■ betr.: „Die Null-Prozent-Strategie“, taz vom 9. 2. 10
Arbeitsplätze erhalten in der Krise – eine gute Forderung. Aber das ist noch keine Strategie. Sicher ist: Verdi und die IG Metall unterscheiden sich nicht so sehr in „ihrer Strategie“. Sie kämpfen für ihre Klientel – die Arbeitsplatzbesitzer. Diese Ausrichtung und dieser Tunnelblick verhindern eine wirklich neue Ausrichtung in tariflichen Auseinandersetzungen. Gäbe es eine strategische Neuausrichtung der Gewerkschaften, dann wäre die Forderung nach 5 Prozent mehr Lohn genau richtig. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst können nach jahrelangen Reallohnverlusten sehr emanzipiert behaupten: „Wir sind mehr wert!“ Busfahrer, Müllmänner, Erzieherinnen, Pflegekräfte und Krankenschwestern leisten Schwerstarbeit. Sie sind mehr wert als 1.300 Euro netto. Pflegekräfte und Krankenschwestern erleben es hautnah, wie die Verteilungskämpfe im Berufsumfeld real aussehen. Ärzte haben zweimal kurz hintereinander einen kräftigen Schluck aus der Pulle bekommen. Und die Kosten für Medikamente sind im Tarifzeitraum um 33 Prozent gestiegen. Und das bei gedeckelten Budgets! War das zu vermitteln?
Die Kollegen im öffentlichen Dienst müssen das tun, was sie bereits in ihrem Berufsalltag praktizieren: Öffentlichkeit herstellen und sich solidarisieren. Verdianer und Metaller müssen gemeinsam vermitteln, dass auch andere Bevölkerungsgruppen ihre Verteilungskämpfe führen müssen und nicht alleingelassen werden. Die Streikenden müssen sich solidarisch erklären mit denen, die in prekären Verhältnissen leben, mit denen, die in der permanenten Kapitalismuskrise stets den Gürtel enger schnallen sollen.
WERNER KELLERSMANN, Oldenburg
Gouvernantenhafte Ratschläge
■ betr.: „Was IG Metall und Ver.di trennt“, „Die Null-Prozent-Strategie“
Wieso stellt Knott die Frage nach der Klugheit der Null-Prozent-Forderung der IG Metall? Ihr wisst doch, wie der Kapitalismus funktioniert. Ihr wisst doch, dass die Arbeitnehmer nun einmal auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind, um einigermaßen leben zu können. Regt ihr euch nur über Bankerboni auf, seid aber mit „vernünftigen“ Bonuszahlungen und Gehältern einverstanden, die ein durchschnittliches Einkommen sternenweit übersteigen? Woran liegt euch? An so etwas wie Gerechtigkeit, ganz gleich wie am Ende definiert? Hier wohl kaum. Wer die Ver.di-Streiks als „Fehler“ anprangert, der goutiert die Machtverhältnisse so, wie sie sind. Mehr noch. Er findet die Wirtschaftsverhältnisse eigentlich ganz okay. Und spielt sich selbst als Begutachter auf, als staats- und gesellschaftskompatibler Meinungsbildner, der gouvernantenhaft Ratschläge erteilt. Warum sollen Gewerkschaftsmitglieder nicht um Lohn streiten? Gehören sie nicht einer Interessenvertretung an? Diese einfache Wahrheit übersieht Knott. SKOTT GRUNAU, Nürnberg
Plumpe Schwarz-Weiß-Rhetorik
■ betr.: „Was IG Metall und Ver.di trennt“
In diesem Kommentar passt aber auch wirklich gar nichts zusammen. Erst wird ganz richtig gesagt, bei Pflegepersonal und Kindergärtnerinnen gäbe es durchaus Grund für Lohnerhöhungen – auch vor dem Hintergrund, dass die Tarifabschlüsse der Metall- und Elektrobranche in den letzten Jahren weitaus üppiger waren als die des öffentlichen Dienstes. Am Ende aber wird behauptet, die Gewerkschaft (Ver.di) schicke „ihr Personal“ mit überzogenen Forderungen auf die Straße. Schon ein merkwürdiges Verständnis von Gewerkschaft, deren Mitglieder zu „Marionetten“ stilisiert werden, statt mündige Beschäftigte zu sehen, die für ihre Rechte eintreten.
Der Kommentator hat recht, wenn er behauptet, in solchen Konflikten sei öffentliche Akzeptanz wichtig. Verantwortung dafür tragen aber insbesondere auch die Medien. Allerdings durch qualifiziertere Kommentare, die sich auch mit den Hintergründen des Themas beschäftigen und nicht bei plumper Schwarz-Weiß-Rhetorik stehen bleiben. EDUARD HARTMANN, Berlin