leserinnenbriefe :
Warum sucht die taz Vorbilder?
■ betr.: „Taugt Margot Käßmann mit ihrem Rückktritt zum Vorbild?“, taz vom 27. 2. 10
warum sucht die taz „vorbilder“? klar, ein giftiger kommentar darüber, trotz welcher vergehen manche würdenträger noch immer nicht zurückgetreten sind, ist fast immer opportun und aktuell. aber frau käßmann hier eine vorbildrolle zuzuschreiben (und sei es nur als offene frage), begründet und erklärt bereits ihre entscheidung. es ist die unfähigkeit, sich in einem öffentlichen diskurs mit klugen thesen auseinanderzusetzen, ohne deren urheberin zur moralischen autorität überhöhen zu müssen. frau käßmann weiß das, fürchtet um die gefahr, einen fehler, den sie sich selbst nicht verzeiht, durch ihren verbleib im amt verzeihlich zu machen, und nimmt ihren hut. ich ziehe den meinen. vermutlich wäre sie dem öffentlichen diskurs erhalten geblieben, wenn, ja wenn sie nicht zum vorbild taugen müsste… JÖRN NETTINGSMEIER, Essen
Heuchlerisches Verhalten
■ betr.: „Linke ungehalten“ u. a., taz vom 27. 2. 10
Der „Eklat“ bestand nicht darin, dass die Fraktion der Linken die Namen der Kundusopfer zeigte, sondern im heuchlerischen Verhalten der für die Fortsetzung des Krieges stimmenden Abgeordneten. Der Eklat bestand auch darin, dass Frau Künast den Abgeordneten Ströbele angiftete, der wohl fast einzige der Grünen, der noch einen „Arsch in der Hose“ und ein Gewissen hat.
HANS-JOACHIM BUSCHBECK, Annaberg-Buchholz
Signale gegen Kriegspolitik
■ betr.: „Nur Nein sagen dürfen sie“, taz vom 27. 2. 10
Während die Niederlande gar eine Regierungskoalition platzen lässt, stimmt ein deutscher Bundestag mehrheitlich gegen die mehrheitliche Meinung des Volkes für die Entsendung weiterer Soldaten in den Krieg nach Afghanistan. Das wäre festzuhalten, bevor die Aktion der Partei der Linken scharfer Kritik unterzogen wird.
Von welcher anderen Partei wurden Kriegseinsätze, die lange nicht so genannt werden durften und selbst heute noch schöngeredet werden, mit größerem Ernst, historischer Verantwortung und rückblickend auf jüngste Geschichte, bei ihrem wahren Namen und Hintergründen genannt? Warum sollte es nicht völlig legitim sein, wo es doch angeblich einzig und allein um die Menschenrechte, Demokratie und Freiheit des afghanischen Volkes geht, auch daran zu erinnern, zu welchem Preis, mit welchen Mitteln und Folgen nahezu täglicher Meldungen von zivilen Opfern alles das einhergeht. Das gesetzte Signal mag heute bewertet werden, wie es will. Es hat in der deutschen Geschichte nicht sehr viele Signale gegen Kriegspolitik gegeben. Sie wurden stets verurteilt und werden heute stets verschwiegen. Es ist gut zu wissen, es gibt sie noch, jetzt und heute, diese Stimmen der Vernunft. ROLAND WINKLER, Remseck
Inflation ausgeblendet
■ betr.: „Einigung mit ‚Licht und Schatten‘ “, taz vom 1. 3. 10
Kollektives Ausblenden der Inflation: Dass die Tarifeinigung im öffentlichen Dienst der Krisensituation angemessen ist – schön und gut. Aber wenigstens die taz hätte ja mal als Einzige im Blätterwald feststellen dürfen, dass es sich bei einer Steigerung um 1,1 Prozent pro Jahr tatsächlich um eine Reallohnkürzung handelt.
HENNING KRAUSE, Köln
Zeit zum Stillen
■ betr.: „Allzeit bereite Mutterbrust“, taz vom 27. 2. 10
Etwas Schrägeres als Badinters Argumente gegen das Stillen habe ich selten gelesen. Sie lassen sich wohl nur auf dem Hintergrund der französischen Gesetzgebung verstehen, die eine Babypause mit Rückkehrgarantie in den Beruf nicht vorsieht. Von einer Feministin hätte ich allerdings einen etwas weniger beschränkten Blickwinkel erwartet.
Ich habe meine beiden Kinder gestillt, eines etwa 11 Monate lang, das zweite 14 Monate lang. Nach 6 Monaten Babypause, in denen ich voll gestillt habe, bin ich jeweils in den Beruf zurückgekehrt. Von da an habe ich morgens, abends und nachts gestillt und bei Bedarf (zum Beispiel Dienstreisen) abgepumpt. Meiner beruflichen Karriere hat das nicht geschadet, meinen Kindern und mir Freude gemacht.
Badinter sollte sich lieber dafür einsetzen, dass Mütter sich auch in Frankreich einige Monate Zeit nehmen dürfen, um zu stillen – ohne dass das Damoklesschwert Jobverlust über ihnen schwebt. Es müssen ja nicht gleich drei Jahre sein, wie in Deutschland. Ein halbes oder ganzes Jahr Auszeit hat noch keine Frau „an den Herd verbannt“.
CORINNA FISCHER, Genf, Schweiz
Steilvorlage für die Linke
■ betr.: „Grüne nehmen Westerwelle auf die Schippe“ u. a., taz vom 25. 2. 10
Einkommen aus Arbeit, so Westerwelle, muss höher sein als Einkommen aus Nichtarbeit. Wir stimmen ihm gerne zu und schlussfolgern messerscharf: Einkommen aus Arbeit muss also höher sein als Einkommen aus Kapitaleinkünften. Eine sozialpolitische Steilvorlage für die Linke, die damit für eine erfrischende Debatte im Bundestag sorgen könnte. BERND SCHOEPS, Bochum