leserinnenbriefe :
Eine andere Vorstellung
■ betr.: „Globalisierung auf Bambara“, taz vom 18. 8. 10
In Afrika sind die Chinesen weithin unbeliebt. Wer gesehen hat, wie chinesische Restaurantbesitzer in Daressalam (Tansania) nach Herrenmenschenart ihr schwarzes Personal behandeln, oder verfolgen konnte, wie chinesische Firmen mit korrupten Diktatoren wie Paul Biya in Kamerun Geschäfte machen, der bekommt eine Ahnung davon, warum das so ist. In Yaounde, der Hauptstadt Kameruns, leben Mitarbeiter chinesischer Baufirmen, die sinnlose Prestigebauten für das Regime errichten, in einem gut bewachten Ghetto. Man staunt daher, wenn Ilija Trojanow uns weismachen will, dass in Mali alles ganz anders ist. Dort suchen die Chinesen den Kontakt mit dem Volk, statt sich in Villenvierteln zu verschanzen wie die Weißen. Sie sind „sparsam, fleißig und beliebt“. Sie sind dem Gemeinwohl verpflichtet und zehnmal billiger als ein Franzose, aber genauso gut. Das mag glauben, wer will. Ich nicht. Viele afrikanische Potenten bedienen das Klischee des ausländischen, imperialistischen Ausbeuters, um vom eigenen Versagen und von Geschäften mit Ausländern abzulenken. Rohstoffe für China, Reichtum für die Regierenden, ein paar billige Konsumartikel fürs Volk, das aber dummerweise wenig Chancen hat, an Geld zu kommen. Herr Trojanow gibt uns eine andere Vorstellung. Sie heißt: Der gute Mensch von Sezuan. KAY MEINERS, Köln
Atomindustrie wälzt Kosten ab
■ betr.: „Merkel spielt auf Zeit“, taz vom 22. 8. 10
Die Atomenergie war schon bisher die am stärksten staatlich subventionierte Energieform: Nicht nur die Grundlagenforschung, sondern auch die Entwicklungen von Prototypen wurden vom Steuerzahler über die Forschungszentren Jülich und Karlsruhe getragen. Müsste die Atomwirtschaft die Risiken ihres Betriebes selbst versichern, wäre kein einziges Kernkraftwerk preislich konkurrenzfähig zu den anderen Energieformen. Aber auch hier ist der Staat (sprich der Steuerzahler) als Haftungsgarant großzügig absichernd eingesprungen. Zum Dritten springt der Steuerzahler auch weitgehend da ein, wo es um „Entsorgungsprobleme“ ihrer Jahrhunderte strahlender Abfälle geht. Die Atomindustrie propagierte nichtsdestotrotz seit Jahrzehnten stolz, die preisgünstigste Energieform zu sein – verschweigt dabei aber, dass sie in diesen drei zum Teil nicht absehbaren Kostenbereichen vom Steuerzahler massiv subventioniert wurde und die vier großen Energieversorger ihre Milliardengewinne nicht ohne diese Subventionen hätten einfahren können.
Nun zeigt sich aktuell durch das Absaufen der Asse und maroden Endlager nicht nur in Gorleben, dass unabsehbare Milliardenkosten für unabsehbare Zeiten entstehen. Flugs werden Gelder aus vollen Schatullen genommen, um mit Anzeigenkampagnen zu verhindern, dass die die Kosten bezahlen müssen, die sie auch verursacht haben. Verlierer bei diesem Ränkespiel gegen Brennelementesteuer und für längere Restlaufzeiten sind neben den Steuerzahlern diejenigen Stadtwerke, die es in den letzten Jahren geschafft haben, ihre Energiepolitik verantwortlich und vorausschauend auf regenerative Energien umzustellen und, „falls sich die Propaganda der vier Großen durchsetzt“, kaum mehr konkurrenzfähige Strompreise anbieten können. KURT LENNARTZ, Aachen
Unterrichten ist Erfahrungssache
■ betr.: „Wettlauf der Besten“, taz vom 24. 8. 10
Der Artikel über Obamas Bestrebungen, Schulen zu verbessern, suggeriert: Die Lehrkräfte sind schuld, wenn die Schüler schlechte Leistungen bringen. Also sollen die „schlechten Lehrer“ entlassen werden. Das ist eine monokausale Denkweise.
Wie könnte man intelligenter handeln? Zum Beispiel: „Schlechte Lehrer“ aus „schlechten Schulen“ in gute Schulen und „Toplehrer“ in „schlechte Schulen“ versetzen! Dann wird man sehen: Welche Rolle spielen die Schüler selbst, ihre Herkunft sowie der spezielle Charakter der einzelnen Schulen? Zudem – viel wichtiger – entwickeln sich Lehrkräfte und Schulen durch Erfahrungsaustausch weiter. Unterrichten ist Erfahrungssache, ebenso wie viele andere professionelle Tätigkeiten auch. Wie lange braucht man, um seinen Beruf wirklich gut zu beherrschen? Zehn Jahre dürften normal sein. Wie kann man also empfehlen, „schlechte Lehrer“ automatisch zu entlassen, statt ihre Entwicklung zu fördern. Entlassen heißt: immer wieder neue, unerfahrene Kolleginnen und Kollegen verheizen! Diese Rechnung geht nicht auf. ROSEMARIE STEGER, München
Kritische Frage stellen
■ betr.: „Endlich abgefahren“, taz vom 23. 8. 10
Da fährt also eine 14-Jährige mit einem Segelboot allein um die Welt, eine Aktion, die auch für gestandene erwachsene SeglerInnen im günstigen Fall eine nervenaufreibende Grenzerfahrung, im ungünstigen der nackte Kampf ums Überleben ist. Die kritischen Fragen stellen sich hier ja fast von selbst: In welcher Welt leben wir, in der Kinder meinen solche Abenteuer erleben zu müssen? Oder in der Eltern diese aus Geltungssucht oder Vermarktungsinteressen in solche treiben? Muss die Gesellschaft eingreifen, um die Kinder zu schützen, wie die britischen Behörden, die Laura nach einem Solo-Segeltrip in England in Gewahrsam genommen haben?
Nichts von alledem interessiert die Autorin. Sie befindet Laura „wie in einem Roman“ in den Fußstapfen von jugendlichen Helden und Märchenfiguren wie Pippi Langstrumpf, die endlich „eines der letzten männlich besetzten Felder“ erobert, „das Recht fortzugehen“. Das hat viel mit Schwärmerei und nichts mit kritischer Analyse von Realität zu tun. MICHAEL SCHMEICHEL, Bochum