leserInnenbriefe:
Sichtbares Zeichen des Wandels
„Polizei polarisiert Pride“
taz nord vom 15.7.2025
Als Landesgeschäftsführung eines der großen Queerverbände in Schleswig-Holstein und jemand, der selbst jahrelang als Aktivist für Umwelt- und soziale Gerechtigkeit gekämpft hat – und dabei vor vielen Jahren auch wiederholt Polizeigewalt erfahren musste –, verfolge ich die Debatte um die Präsenz der LSBTIQ*-Ansprechstelle der Polizei auf dem Kieler CSD mit großer Sorge.
Ich arbeite gerne mit der Ansprechstelle und auch dem Verein VelsPol, weil es mir ermöglicht, mir vorzustellen, wie gute Polizeiarbeit aussehen kann. Ich möchte mich klar von jenen Stimmen distanzieren, die eine pauschale Ausgrenzung fordern. Ich verstehe die historische Skepsis gegenüber der Polizei, die tief in der Genese der internationalen CSD Protestbewegung verwurzelt ist. Doch wir müssen auch anerkennen, dass sich Institutionen entwickeln können. Die LSBTIQ*-Ansprechstelle der Polizei Schleswig-Holstein ist ein sichtbares und wichtiges Zeichen dieses Wandels. Die Beamt:innen, die dort arbeiten, tun ihr Bestes, um Vertrauen aufzubauen und als verlässliche Ansprechpartner:innen für queere Menschen zu fungieren, die Hass, Gewalt oder Straftaten erleben. Die Ansprechstelle ist kein PR-Gag, sondern eine konkrete Brücke zwischen der Community und einer Institution, die für viele von uns immer noch eine Hürde darstellt. Das Angebot wird von der Community gut angenommen, das Vertrauen wächst. Diesen Fortschritt dürfen wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Beamt:innen oft selbst Diskriminierung erfahren (haben) – auch durch Nazis oder leider auch innerhalb eigener Reihen. Erst neulich hat die AfD erneut die LGBTIQ Ansprechstelle angegriffen, online, 500.000 Views gegen „nie wieder“. Nazis hetzen gegen Regenbogenfahnen vor Dienstgebäuden während sie Hakenkreuzflaggen selbst hissen, angebliche Kinderschützerinnen sehen in schwulen Polizisten den Teufel. Das ist die tatsächliche Bedrohung für CSD Veranstaltungen.
Queere Polizist*innen zeigen Mut, indem sie immer öfter offen für Menschenrechte eintreten und Präsenz zeigen. Wenn die Ansprechstelle gemeinsam mit jungen queeren Menschen an die Verfolgung homosexueller Menschen im Nationalsozialismus erinnert oder den CSD noch bunter macht, sind das starke Zeichen historischer Verantwortung, die wir begrüßen sollten.Ein Angriff auf diese Ansprechstelle ist daher ein Angriff auf den mühsam erkämpften Dialog und die Chance auf tatsächliche Verbesserung von innen heraus. Statt Spaltung brauchen wir Solidarität mit jenen, die sich für eine inklusivere Gesellschaft einsetzen – auch innerhalb der Polizei. Bernd Rübinger, Wiesbaden
Vorbild Kopenhagen
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„Kollektive Wunschproduktion für die Tonne“
taz Nord vom 2.7.2025
Die Kritik an der erneuten Aushebelung vieler guter Bürgerideen für eine lebenswertere Stadt wie im konkreten Fall auf St. Pauli spannt noch einen zu kurzen Bogen. Schließlich gibt es auch andere Metropolen in Europa wie Kopenhagen, die nicht zuletzt ihre nachhaltige und innovative Vorreiterrolle dem Grund zu verdanken haben, dass sie die direkte Beteiligung der Bevölkerung bei der Quartiersplanung seit jeher sehr ernst nehmen, da hierdurch in der Regel viel mehr kreativer Mut zu neuem Denken entsteht, als wenn sich nur die Behörden mit den Investoren auf einen technokratischen Deal einigen. Rasmus Ph. Helt, Hamburg
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