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Archiv-Artikel

laborbericht E-Mail von Thomas

Im beschlagnahmten Computer des Leichtathletiktrainers Thomas Springstein finden sich Hinweise auf Gendoping

Die Nachricht kam per E-Mail, und sie war gesendet von „Thomas an Doc“. Thomas hatte ein paar Fragen an den Doc, vor allem, was G. anging. G., so ist der E-Mail zu entnehmen, sollte bei den Hallen-Weltmeisterschaften in Birmingham im März 2003 teilnehmen – just dafür sowie für die sich anschließende Freiluftsaison forderte Thomas nun schriftlich Unterstützung an – und zwar so: „Wir brauchen ein Programm zur Vorbereitung auf die Wettkämpfe (Stimulanzien). Wir brauchen ein Programm zur Verbesserung der Ausdauer (gibt es Neuigkeiten auf dem Markt?) Wir brauchen ein Programm zum Umgang mit GH??? Besser nicht? Wie können wir X2 Hemogan, deportone Ultratard FA-Med nutzen? Wie können wir Proteine erhöhen? Gibt es Alternative zum B-Komplex? Das neue Repoxygen ist schwer erhältlich. Bitte gib mir bald neue Instruktionen, so dass ich die Produkte vor Weihnachten bestellen kann. Lass uns in Verbindung bleiben! Grüße Thomas!“

Was sich zunächst liest wie das harmlose Fachchinesisch zweier leicht überdrehter Mediziner, birgt freilich Sprengstoff in sich, der den Sport und seine Dopingproblematik in eine neue Dimension katapultieren könnte. Die E-Mail nämlich stammt aus dem beschlagnahmten Computer von Thomas Springstein, also jenem Leichtathletiktrainer, der derzeit in Magdeburg wegen Dopings von Minderjährigen vor Gericht steht. Veröffentlicht wurde das Schriftstück (zusammen mit weiterem E-Mail-Verkehr) in der FAZ, der damit ein ziemlicher Coup gelungen ist. Denn nicht nur, dass mehr als nahe liegt, dass es sich bei besagtem Thomas um Springstein selbst handelt, und er per E-Mail ein Dopingprogramm für seine Lebensgefährtin, die ehemalige Sprinterin Grit Breuer, also G., anfordert, gibt der Brief den erschreckenden Hinweis, dass das Zeitalter des Gendopings doch schon über den Sport hereingebrochen ist. Bei dem für Springstein neuen und nur schwer erhältlichen Repoxygen handelt es sich nämlich um ein Präparat der britischen Gentechnologiefirma Oxford Biomedica, das in die Gensubstanz eingreift und den Körper dazu bringt, vermehrt rote Blutkörperchen zu bilden. Was vereinfacht nichts anderes heißt als: Repoxygen kurbelt gentechnisch die Produktion von Erythropoetin an. „Es geht ganz konkret um transgenes Doping“, stellt der Heidelberger Dopingfachmann Professor Werner Franke fest.

Der Vorteil dabei: Künstlich hergestelltes und von außen zugeführtes Epo, als Blutdopingmittel längst zu unrühmlicher Berühmtheit gelangt, kann mit den vorhandenen Dopingtests mehr oder weniger mühelos festgestellt werden; das durch Repoxygen zwar angeregte, aber letztlich vom Körper selbst produzierte Epo hingegen nicht. „Repoxygen ist eine ernsthafte Bedrohung“, sagt der amerikanische Dopingexperte Larry Bowers entsprechend in der FAZ.

Besonders bedrohlich macht das Präparat, dass es sich noch im Entwicklungsstadium befindet und bislang ausschließlich zu Forschungszwecken und nur in Tierexperimenten konsequent getestet wurde. Wie die FAZ berichtet, haben Laboraffen bei Experimenten schwere Krankheiten bekommen und sind nicht selten an einer Immunreaktion verendet. Durch klinische Tests abgesicherte Hinweise, wie der Mensch auf das Mittel reagiert, sind hingegen nicht existent, schwerste gesundheitliche Schädigungen eher zu befürchten denn auszuschließen.

Im Sport scheint das Mittel dennoch bereits Anwendung gefunden zu haben. Laut Werner Franke werde in Internet-Chatrooms längst über die Anwendung von Repoxygen diskutiert. Springstein, der bislang alle Dopingvorwürfe gegen sich bestritten hat, dürfte somit nicht der Einzige gewesen sein, der sich für das Präparat zumindest interessierte. Dazu Werner Franke: „Das ist nicht nur Doping, das ist kriminell. Hier geht es um Absprache zur Körperverletzung.“

FRANK KETTERER