kurzkritik: „largo“ im bremer theater : Tänzerisch beeindruckend
Wie sie war, die Uraufführung des eigens für das Tanztheater Bremen und die Tanzcompagnie Oldenburg kreierten Stücks „Largo“? Nun, das tänzerische Können beeindruckte – und je weniger die Bewegungskünstler der faszinierenden Klangcollage aus Barockmusik und harsch metallischen Sounds der Moderne gehorchten, desto intensiver nahm sie sich Raum.
Und inhaltlich, choreografisch? Nun, die erste gemeinsame Produktion des „nordwest“-Ensembles buhlte 2008 noch mit einem bunten Mix aus Überwältigungsschoreografien um großen Zuspruch. Da zeigt man sich jetzt mutiger, holte mit der Norwegerin Ingun Bjørnsgaard eine gewiefte Kennerin der Tanz-Welt.
Sexuelles Begehren, erotischer Hunger treibt die Körper an. Leiber umspielen einander, perlen aneinander ab. Schüchternes Buhlen, neugieriges Umeinanderwinden, unschuldiges Anschmiegen, zärtliche Hebungen – und schamloses Anspringen, brutales Schleudern, rüdes Fortwerfen. Bevor sich Beziehungen entwickeln, werden sie von andern gebrochen.
Ingun Bjørnsgaard lässt nichts entfalten. Verwandeln, Abschied nehmen und neu beginnen. Um die wilden Paarungen gruppieren sich im surrealen Bühnenraum die Passanten-Tänzer, hochgradig angespannt auf ihren Platz und mögliche Partner lauernd oder mit Phobien kämpfend. Tanz als Suche – nach einem Ausbruch aus Konventionen, zerrissen zwischen äußerer Zivilisation und innerem Chaos, formaler Eleganz und mäandernder Expression.
Leider mangelt es der komplexen Melange aus zeitgenössischem Vokabular, Rudimenten des klassischen Balletts und Alltäglichkeit an Verdichtung, Erzählkunst, Figurenentwicklung und Dramaturgie. Dass die Choreografin für spielerisch leichte Ironie und humorvolle Brechungen bekannt ist, bestätigt sie in Bremen nicht. Die Bewegungen gefrieren immer wieder zum reinen Ornament. Ermüdend auch bald die ewig neuen Gesten und ewig gleichen (Ent)Paarungen. Der Jubel war dezent. JENS FISCHER