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Archiv-Artikel

kurzkritik: kertész-lesung Schlichte Bilder

„Allein die Toten sind unbeschmutzt von der Schande des Holocaust“, schreibt Imre Kertész in „Dossier K. Eine Ermittlung“. „Dagegen ist es bitter, den Stempel des Überlebens zu tragen, für den es keine Erklärung gibt.“

Für Kertész ist Vergangenheit nicht vergangen, es gilt die Ungeheuerlichkeit des Weiterlebens zu hinterfragen. Seine „Autobiografie aus zwei Stimmen“ zeigt das Bremer Theater jetzt im Brauhauskeller: An Vorlesepulten sitzen Detlev Greisner (Kertész) und Glenn Goltz (Journalist), nehmen die geistvoll gebildete Interview-Situation als Rollenspiel an.

Der eine ist herzig humorvoll, sucht Schutz hinter Ironie und eifert hektisch, wenn’s emotional wird; der andere: gehemmt forsch, leicht genervt, dezent besserwisserisch. Zugleich Lebensresümee und Einführung ins Werk des Nobelpreisträgers, hat Christian Pade „Dossier K.“ mit geräuschvoll durchtosten Pausen verfremdet und mit schlichten Bildideen partiell theatralisiert. Da durch die kunstvolle, unerbittliche Selbstbefragung Bruchstücke aus der Familiengeschichte aufscheinen, wird ein Vorhang Stück für Stück beiseite geschoben: Er gibt den Blick auf private Fotos frei. Eine mit Kertész’ Häftlingsnummer „64921“ beschriftete Tür bleibt ungeöffnet, weil der nie direkt das Grauen seiner Jugendjahre im KZ anspricht, sie als „Rohstoff“ durch„die Zauberkraft von Sprache und Komposition“ neu gestaltet. Eine szenische Lesung der verzweifelten Erkenntnisse entwickelt sich. So findet Kertész die in Auschwitz gemachte Erfahrung im stalinistischen Nachkriegs-Ungarn bestätigt: „Das Geheimnis des Überlebens ist die Kollaboration.“ Jens Fischer

Termine: 24. & 28. 5. sowie 8., 14., 18., 27. 6., jeweils 20.30 Uhr