kurzkritik: Die neuen Leiden des jungen W. : Klassenclown mit Dackelblick
Seien wir ehrlich: Wüsste man nicht, dass dieser Schlacks mit dem „New York fuckin’ City“-T-Shirt wirklich Plenzdorfs Edgar Wibeau sein soll, dann würde man ihn für einen x-beliebigen Heranwachsenden halten, der sich zum Aussteiger aufspielt. Aber es ist eben doch nicht alltäglich, dass da einer, der auf seinem T-Shirt von New York träumt, in einer Gartenlaube untertaucht und Rat in einem gelben Reclamheft sucht. Ist das Ausbruch? Flucht? Hier auf jeden Fall auch Teil der Verwirrung des ersten Verliebtseins.
Zwischen Witz und stiller Wahrheit balanciert Jettes Steckels Inszenierung von Ulrich Plenzdorfs Roman. Edgar etwa darf das Goethe-Reclamheft tief aus der Kloschüssel hervorziehen. Ole Lagerpusch spielt ihn halb als Klassenclown mit Dackelblick, halb als weltbefragenden Brausekopf, eine plastische Figur mit Identifikations-Potenzial fürs jugendliche Publikum. Und dann ist da noch die kleine, kongeniale Bühnen-Video-Installation. Wenn Edgar die Bretter der Leichtbau-Laube um sich herum hoch klappt, werden Videobilder aus dem Inneren nach Außen projiziert. Wie sich echte und gefilmte Bühne überlagern, gefilmte und echte Schauspieler zusammenkommen wollen und nicht können, versinnbildlicht Edgars vergebliche Bemühungen, seiner Charlotte näher zu kommen. Und ist von Steckel sehr, sehr clever gemacht, Respekt. SIMONE KAEMPF
nächste Vorstellungen: 26. 12., 19 Uhr, und 30. 12., 20., 26. und 31. 1. je 20 Uhr