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Archiv-Artikel

kulturhauptstadt im kasten Die Debatte zur Bremer Bewerbung: Heute Renate Heitmann, BSC

Die EU-Kriterien als Herausforderung für die Stadt

Bremen bewirbt sich als Kulturhauptstadt 2010. Aber wie? In unserer Serie beziehen Kulturschaffende, Mäzene, Entscheidungsträger Position. Heute: Renate Heitmann, Geschäftsführerin der Bremer Shakespeare Company

„Everyone must play a part“ (William Shakespeare): Werden wir doch etwas praktischer in unseren Beiträgen zur europäischen Kulturhauptstadt. In der Betrachtung der insgesamt zwölf Planungs- und Evaluierungskriterien aus dem Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft vom 1. Juli 1999 wird deutlich, dass die Künstler und Kultureinrichtungen der Stadt aufgefordert sind, als Hauptakteure auf die Bühne zu treten. So gilt es auch Folgendes zu erfüllen: – Herausstellung der gemeinsamen künstlerischen Strömungen und Stilrichtungen, bei deren Entstehen die betreffende Stadt eine besondere Rolle gespielt hat– Durchführung künstlerischer Darbietungen (Musik, Tanz, Theater, bildende Kunst, Film usw) sowie Verbesserung der Kulturförderung und des Kulturmanagements– Durchführung von speziellen Kulturprojekten zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts

Diese Kriterien sind keine Aufforderungen zu Verhübschungsaktionen, sondern eine wahre Herausforderung: Die Verbesserung der Kulturförderung ist hier Programm,und wir sollten einen Prozess in Gang setzen, der Ideen und Gedanken aufnimmt und sich entwickelt und wächst – wie eine große Erzählung in der die Handlungsstränge sich verzweigen und wieder zusammengeführt werden. Eine Erzählung, mit der man träumt und in die man hineintaucht, in der sich existentielle Sinninhalte und emotionale Essenzen verankern können.

Und wer sind „Wir“? - das sind alle, die sich an diesem Prozess beteiligen wollen. Für eine Beteiligung muss man Verfahren organisieren. Gut gemeinte Kaffeekränzchen reichen da nicht aus, es müssen Plattformen entstehen, auf denen weitreichende Fragen aufgeworfen und klare Antworten gefunden werden müssen. Dieses erfordert eine Moderation, ein Gegenüber, das transparente Entscheidungskriterien entwickelt. Diese Plattformen könnten sich an den oben aufgeführten Kriterien der EU orientieren, die mit einer Idee unterfüttert sind, die Freiräume und Assoziationen zulassen und sich durch Metaphern binden.

Shakespeares „everyone must play a part“ könnte zu einem geflügelten Wort werden, das für die Brücke zwischen E(rnst) und U(nterhaltung) steht, wenn damit Teilhabe, Vermittlung und Korrespondenz gemeint ist. Künstlerische Produktion bedeutet die verschwenderische Ansammlung von Ideen, das Scheitern und die Verwerfung, sie ist Differenzierungsarbeit und Abstraktion – und die besten Ergebnisse haben ihre Bedeutung und ihren Wert für die Ewigkeit. In einer Ensembleproduktion kommt das Werk nicht ohne eine übergeordnete Vision aus. Der Verzicht auf die Regieposition in einer Inszenierung führt dazu, dass die Potenziale sich im Vakuum der partikularistischen Ansätze verlieren. Um so wichtiger ist eine verlässliche und qualifizierte Begleitung und Führung im Beteiligungsverfahren.

Die Struktur der Plattformen der Documenta könnte Impulse geben. Mit den Plattformen, Ideen und Projekten in der Bewerbungsphase könnten wir (die zahlreichen Bremer Produzenten) unsere Zugehörigkeit zu – und unser Engagement für – etwas erkennen, das über uns selbst als Einzelinstitutionen mit den eigenen besonderen Identitäten hinausgeht.

Die überzeugende Wirkung der Referenzprojekte nach außen muss auch die Menschen der Stadt mit ins Boot holen –um mitzusegeln, um Wind zu machen oder um das Ruder in die Hand zu nehmen. Dann können neue Projekte und Unternehmen entstehen, neue Kompositionen und Arrangements in allen Sparten gefunden werden, mit den Wissenschaften werden neue Theorien begründet... und wenn man das hinkriegte, ja dann: „gut gebrüllt Löwe“ (William Shakespeare).

Renate Heitmann

Der Kulturrat lädt zu einer Plattform ein, um Positionen im Verfahren zu diskutieren. Erstes Treffen: 30. März um 11h im Theater am Leibnitzplatz. Die Plattform im Netz: www.bremen2010.de