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Archiv-Artikel

kulturhauptstadt im kasten (2) Die Debatte geht weiter: Thomas Deecke, Direktor des Neuen Museum Weserburg, zur Bremer Bewerbung

Das Ziel ist das Ziel

Das vorläufige Konzept der Bremer Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas für das Jahr 2010 ist vom Senat beschlossen. „Die Diskussion muss in Gang kommen“ fordert Kultursenator Kuno Böse. Die taz bremen gehorcht: In der Serie „Kulturhauptstadt im Kasten“ beziehen Kulturschaffende, Mäzene und Entscheidungsträger der Stadt Position. Heute: Thomas Deecke, Direktor des Neuen Museums Weserburg.

Gerade einmal zwei Wochen ist es her, dass sich ein strahlendes Graz als Kulturstadt Europas 2003 vorstellte. Bremen hat noch etwas Zeit bis 2004, wenn es mit einem schlüssigen Konzept für 2010 gegen die harte Konkurrenz aus dem Ruhrgebiet, aus Leipzig und – wer weiß woher noch? – gewinnen will.

Aber: Will Bremen wirklich gewinnen, oder soll uns der Weg zum Ziel schon genügen? Angesichts des – sicherlich gut gemeinten – Vorwahlkampf Kompromiss-Papiers des Senats könnte der erste Schwung schon im Vorfeld der Zuständigkeiten zu erlahmen drohen oder ähnlich versanden.

Schon der erste Schritt ging in die falsche Richtung. Nicht der fachkundige Kultur-Senator, sondern eine Staatsräte-Lenkungsgruppe sollte die Führung übernehmen. Es bestand also durchaus die Gefahr, die Kulturhauptstadt in die ‚erfolgverheißenden‘ Händen der Event-Manager der Hanseatischen Veranstaltungsgesellschaft (HVG) zu legen, die ihre Könnerschaft bereits an Bremens peinlichem Beitrag zur Weltausstellung in Hannover oder an der ‚Nachhaltigkeit‘ des Musical-Theaters bewiesen haben. Oder die Gefahr, dass man gar die erfolgreiche Space Park-Animateure um Hilfe bittet.

Die Beauftragung der bmg (Bremen Marketing GmbH) sollte nur ein Zwischenschritt sein in Richtung Beauftragung einer unabhängigen, professionellen und von außen kommenden Leitung, die sich der Professionalität der Bremer Kultureinrichtungen bedient. Auch wenn es die Politik immer wieder bezweifelt: Bremens Kultureinrichtungen können unverwechselbare Konzepte für eine Repräsentanz als Kulturhauptstadt entwickeln: sie stellten immer wieder unter Beweis, selbst bei geringen Mitteln, effektiv ‚Piraten‘ oder ‚Schokolade‘ (Übersee Museum), ‚Blauer Reiter‘ oder ‚van Goghs Felder‘ (Kunsthalle) möglich zu machten, oder das Publikum mit in Bremen jahrzehntelang unbekannter zeitgenössischer Kunst wie ‚arte povera‘ und ‚minimal art‘ ‚ mit den letzten Bildern Picassos und Miros oder mit internationalen Design präsentiert von Jean Nouvel (Neues Museum Weserburg) zu konfrontieren und diese auch noch als bremischen Kulturexporte im Ausland zu zeigen, von den Neu- und Erstinszenierungen in den Theatern und dem Tanztheater ganz zu schweigen!

Bislang setzte man jedoch lieber auf Justus Frantz auf der Trabrennbahn oder auf die X-te von Beethoven zum Musikfest oder auf die Techno-Parade am Osterdeich. Und warum eigentlich nicht auf Freimarkt und Sechstagerennen, die gibt es doch ohnehin auch ohne Intendanten?

Was Bremen für 2010 aber wirklich braucht, um nicht unterzugehen, ist ein strahlendes und mutiges Konzept. Dazu könnte Greenaways Projekt für den Getreidespeicher ein erster richtiger Schritt sein.

Ein solches Konzept könnte sich sowohl aus bremischen Traditionslinien, als auch aus künstlerisch-technologischen Zukunftsvisionen entwickeln lassen, aus der Hansevergangenheit, aus fast tausendjähriger republikanischer Tradition, aus den weltweiten internationalen Handels- und Kulturverbindungen nach China und Indien, Afrika und Lateinamerika, in die USA oder zu den Schwesterstädten. Tradition mit Innovation zu verbinden könnte der charakteristisch bremische Beitrag zur Geschichte der Kulturhauptstädte sein und uns von der Konkurrenz abheben.

Warum machen wir aus der ‚City of Science‘ nicht eine ‚Stadt der Wissenschaften und der Kultur‘? Die intellektuellen Voraussetzungen dazu sind gut. Es mangelt nicht an Erfahrungen bei den Bremer 5+ (den Bremer Museen), die Universitäten sind im Aufwind. Es mangele nur am Geld.

Nein! – nicht einmal das! Es wird nur nach alter Regel eingesetzt, als habe Gott diese Moses auf dem Berge Sinai übergeben: auf ewig getrennt nach den Kriterien von investiv und konsumtiv! Umdenken ist gefordert und zwar gleich.

Investieren wir also ausnahmsweise einmal kräftig in Kultur, statt in gigantische Spaßcenter mit absehbaren Misserfolgen! Die Kulturszene steht bereit. Thomas Deecke