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krebszucht von CORINNA STEGEMANN

Schon seit einiger Zeit war ich als Mitarbeiterin einer an Liquiditätsproblemen leidenden Tageszeitung auf der Suche nach einer lukrativen Nebenverdienst-Möglichkeit. Die zündende Idee kam mir vor ungefähr fünf Wochen, als ich mir im Berliner „Ring-Center Friedrichshain“ was „Schickes zum Anziehen“ kaufen wollte.

Am im „Ring-Center Friedrichshain“ ansässigen Zoo-Geschäft konnte ich selbstverständlich nicht vorbeigehen, und so stolperte ich über ein Becken mit Süßwasser-Krebsen. Da machte es „Pling“ in meinem Kopf. „Eine Süßwasser-Krebs-Zucht!“, dachte ich mir, „das ist es doch!“ Also kaufte ich mir zwei besonders hübsche Krebse zu je 12,95 DM. Ich wollte sie lieben und ehren und ihre Kinder – ich schätzte, dass es pro Geburt ungefähr 20 sein müssten – zu je 30 Mark weiterverkaufen. Zu Hause packte ich „Wolfgang“ und „Johanna“ aus, und setzte sie sanft in das mitgekaufte Aquarium mit all den schönen Steinen und Glasmurmeln (alles zusammen 137,50 Mark). Wolfgang gab ich seinen Namen nach einem Herrn, in den ich mal sehr verliebt war, und Johanna taufte ich nach meiner besten Freundin.

Schon am ersten Abend entpuppte sich Johanna als ein hinterlistiges Miststück. Ständig schlich sie sich von hinten an Wolfgang heran und kniff ihn mit ihren großen Scheren in den Po. Mehr lief nicht ab. Geschlechtsverkehr? Fehlanzeige! Zur Strafe taufte ich Johanna auf „Angelika“ um. Nach drei Tagen ertappte ich mich dabei, wie ich mich statt vorwärts seitwärts fortbewegte.

Nach zwei Wochen war Wolfgang plötzlich und unerwartet tot. Eines seiner schönen Stielaugen lag abgeschnitten auf seiner Leiche. Angelika hatte ihn umgebracht. Ich beerdigte Wolfgang im Blumenkasten mit einem kleinen Grabstein, weinte ein bisschen und sprach ein Gebet für ihn, bevor ich „Jörg“ kaufte: Jörg kostete auch faire 12,95 DM.

Kaum dass ich Jörg in das Aquarium gesetzt hatte, haute Angelika ihm wie vom Teufel besessen ihre Scheren um die Ohren, dass es nur so knallte. Geschlechtsverkehr? Wieder Fehlanzeige! Aber Jörg wusste sich zu wehren. Er schnappte sich mit seinen Scheren ein paar von Angelikas zahlreichen Extremitäten und drückte so fest zu, dass ich Angst um sie bekam. Wie aus einem Reflex heraus tauchte ich eine meiner zahlreichen Hände in das Becken, um die beiden zu trennen. Ein fataler Fehler! Schneller als Lichtgeschwindigkeit hatte ich je einen tropfenden Krebs zu 12,95 Mark mit unglaublich kräftigen Scheren an den Fingern hängen. Vor Schmerzen schrie ich auf!

Seitdem herrscht Ruhe im Pool. Geschlechtsverkehr ist bei Jörg und Angelika immer noch Fehlanzeige, aber sie versuchen wenigstens nicht mehr, sich gegenseitig umzubringen.

Ein Interessierter, dem ich von meinem ausbleibenden Süßwasserkrebs-Zuchterfolg berichtete, gab zu bedenken, Angelika könne vielleicht eine emanzipierte Krebsin sein, die der Meinung sei, ihr Bauch gehöre ihr. Ich hingegen vermute eher, dass Jörg schwul ist. Er tanzt zuweilen wirklich sehr anmutig durch das Aquarium. Wahrscheinlich stimmt beides.

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