kommentar : Deutsch-französisches Bündnis – kein Herz für Europa
Wenn in Versailles die Sektkorken knallen, wollen die Landsleute im fernen Brüssel nicht zurückstehen. Ausgerechnet zwei Mitglieder der EU-Kommission, die ja bekanntlich dem Gemeinschaftsgedanken verpflichtet ist, werben für einen deutsch-französischen Bund.
Pascal Lamy und Günter Verheugen sind bislang als engagierte Europäer hervorgetreten, die mit dem Umzug nach Brüssel die nationalpolitischen Scheuklappen abgelegt haben. Seit sie gestern dafür plädierten, dass Frankreich und Deutschland in der Haushalts- und Steuerpolitik sowie der Außen- und Verteidigungspolitik künftig mit einer Stimme sprechen sollen, sind an ihrem europäischen Blick Zweifel erlaubt.
Als mögliches Betätigungsfeld der neuen doppelstaatlichen Minister nennen die Kommissare sowohl die Ministerräte der EU als auch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Die 105 Konventsmitglieder, die in Brüssel um eine Reform der Union ringen, dürften sich die Augen reiben. Kaum ist der deutsch-französische Vorstoß abgewehrt, das Amt eines Ratspräsidenten neu zu schaffen, folgt die nächste Schnapsidee. Der EU-Konvent sorge derzeit für den Körper der Union, die deutsch-französische Allianz aber sei ihr Herz, schreiben die Kommissare galant. Das ist Wasser auf die Mühlen jener Euroskeptiker, die den Konvent ohnehin für Staffage halten.
Ein Trost nur, dass sich die beiden Kommissare für ihr Projekt ausgerechnet Politikbereiche ausgesucht haben, in denen die deutsch-französische Zusammenarbeit nicht besonders gut funktioniert. Im UN-Sicherheitsrat hätten Deutsche und Franzosen ja derzeit Gelegenheit, mit einer Stimme zu sprechen – auch ohne Doppelminister. Stattdessen lehnen die Deutschen einen Irakkrieg kategorisch ab, die Franzosen dagegen wollen mit UNO-Mandat durchaus gegen Saddam ziehen. Im Finanzministerrat war gerade gestern das Schauspiel zu beobachten, wie die Deutschen brav Spardisziplin versprechen, während die Franzosen sich gegen die Zumutung wehren, weniger Schulden machen zu dürfen. Ein Doppelminister, der diese gegenläufige Politik in einer Person verkörpern sollte, würde schizophren werden.
Bleibt zu hoffen, dass die kleinen EU-Länder, vor allem Neulinge wie die baltischen Staaten, genug Weisheit und Gelassenheit besitzen, um den Vorschlag der beiden Großen als das zu sehen, was er ist: Ein missglückter Versuch, das deutsch-französische Vertragsjubiläum aufzupeppen. DANIELA WEINGÄRTNER