kommentar : US-Terrorvorwurf gegen Selbstmordattentäter: Propaganda auf niedrigstem Niveau
Der Selbstmordanschlag im Irak trage die Merkmale eines Terroraktes – so ein US-Militärsprecher. Folgt man dieser Definition, dann handeln alle irakischen Militärs terroristisch, die sich nicht entweder gleich widerstandslos ergeben oder doch wenigstens in einer offenen Feldschlacht von einem überlegenen Gegner niedermetzeln lassen. Die sofortige Kapitulation hatte US-Präsident George W. Bush denn auch gleich nach Beginn der Angriffe auf Irak als einzig verbliebene Möglichkeit „ehrenhaften“ Handelns für irakische Streitkräfe bezeichnet.
Das ist Kriegspropaganda auf niedrigstem Niveau. Guerillakämpfe und Selbstmordanschläge haben in der Geschichte des Krieges eine lange Tradition. Ekel erregende und menschenverachtende Methoden waren und sind in diesem Zusammenhang eher die Regel als die Ausnahme: so beispielsweise Hinrichtungen vermeintlicher oder tatsächlicher Verräter in den eigenen Reihen, der Missbrauch von Zivilisten als menschlichen Schutzschilden, die Verminung von Verkehrswegen, Sippenhaft und die Folter von Gefangenen.
Wenn Partisanen im historischen Urteil zu edlen und aufrechten Kämpfern mutieren, dann hat das weniger mit ihrer Form der Kriegsführung zu tun als mit dem Abscheu vor ihren Gegnern. Die französische Résistance und der jugoslawische Widerstand haben einen besseren Ruf als die deutsche Wehrmacht. Das ist in politischer Hinsicht gerechtfertigt, bedeutet jedoch nicht, dass sie das humanitäre Kriegsvölkerrecht beachtet hätte. Im Irak wird dieses Recht gegenwärtig von beiden Seiten gebrochen. Aber eben von beiden Seiten: US-Luftangriffe auf eine Fernsehstation sind – international eigentlich geächtete – Angriffe auf ein ziviles Ziel.
Die Frage, ob bestimmte Methoden als „terroristisch“ einzustufen sind oder nicht, ist keineswegs abstrakt. Wenn Selbstmordattentate als Terrorakte gelten, dann darf die Bundesregierung im Rahmen der Terrorismusbekämpfung sofort Bundeswehrsoldaten zum Schutz von US-Truppen in den Irak entsenden. Eine überspitzte Deutung? Keineswegs.
Ein deutscher Geleitschutz für US- Kriegsschiffe im Mittelmeer kann von der rot-grünen Koalition nur dann erwogen werden, wenn sie sich die Terrorismus-Definition aus Washington zu Eigen macht. Zwar ist im Irakkrieg keine Seeschlacht zu erwarten – aber die Versorgung mit Nachschub kann kriegsentscheidend sein. Deshalb ist Geleitschutz für Schiffe nichts anderes als eine Beteiligung am Krieg. Es sei denn, man betrachtet jede Form der Gegenwehr als Terrorismus. BETTINA GAUS