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Archiv-Artikel

kommentar Die Wirtschaftsforscher werden bald erkennen: Sie sind überflüssig

Es fällt nie leicht, Fehler zuzugeben. Insofern ist es lobenswert, dass die „sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute“ in ihrem Herbstgutachten indirekt Irrtümer einräumen.

Die Ich-AGs, so stellen jetzt auch die amtlichen Regierungsberater fest, waren keine gute Idee: Es ist davon auszugehen, dass die allermeisten Ein-Mann-Betriebe geschlossen werden, sobald die staatliche Förderung ausläuft.

Auch die Minijobs gelten den Ökonomen nun als problematisch. Zwar sind davon 600.000 neu entstanden – aber leider vor allem, weil reguläre Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt wurden. Man kann es auch so sagen: Die Minijobs sind nur eine hübsche Subvention für Arbeitgeber, die sich nun die Sozialbeiträge für ihre Mitarbeiter sparen.

Auch die so genannten 1-Euro-Jobs werden nun pessimistisch gesehen: Sie könnten ebenfalls reguläre Beschäftigung verdrängen. Damit, so ganz nebenbei, wird ein entscheidender Teil der Hartz-Reformen erledigt.

Am Herbstgutachten erstaunen jedoch nicht diese Einsichten – sondern dass die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute so lange gebraucht haben, um sie zu gewinnen. Denn an Warnungen hat es nie gefehlt, weder bei den Ich-AGs, den Mini-, noch bei den 1-Euro-Jobs. Doch davon unbeirrt haben die Forschungsinstitute bisher stets geschwärmt, wie segensreich ein Niedriglohnsektor für Deutschland wäre.

Ungewollt führt sich das Herbstgutachten selbst ad absurdum: Es ist als Beratungsinstrument für die Bundesregierung gedacht und demonstriert doch gleichzeitig, wie schlecht gerade diese Beratung ist.

So müsste die Lehre der Geschicht’ eigentlich lauten: Trau keinem Volkswirt nicht. Aber so wird es natürlich nicht kommen. Die Selbstreferentialität des Systems ist perfekt: Nur Wirtschaftswissenschaftler genießen die nötige Autorität, um wirtschaftswissenschaftliche Aussagen zu korrigieren. Das einzige, was gelegentlich noch stören kann, ist die unübersehbare Realität. Wie bei den Minijobs und bei den Ich-AGs.

Die Realität könnte jedoch schon bald übermächtig werden und die Forschungsinstitute zu einer ganz bitteren Selbsterkenntnis zwingen: Ihre Beratertätigkeit ist weitgehend überflüssig. Es gibt zwar noch eine nationale Regierung, die sich Ratschläge von ihren Nationalökonomen erhofft. Nur die dazugehörige Nationalökonomie gibt es nicht mehr in einer globalisierten Welt. ULRIKE HERRMANN

wirtschaft und umwelt SEITE 8