kommentar : Um die Grenzen der Menschenrechte aufzuzeigen, braucht der UN-Sicherheitsrat Schröder nicht
Es geht um Macht und Ohnmacht, um Realpolitik oder Prinzipientreue: Diese Gegensätze prägen die Diskussion über die Aufhebung des europäischen Waffenembargos gegen China. Letztlich – da hatte CDU-Chefin Angela Merkel gestern im Bundestag Recht, auch wenn man gerade ihrer Partei das nicht glauben mag – geht es um nachvollziehbare Werte einer deutschen und schließlich europäischen Außenpolitik.
Die sollte, glaubt man an den großen Entwurf einer zivilen europäischen Großmacht, von sich wie von anderen Ländern Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte einfordern. So ähnlich hatte das auch die erste rot-grüne Koalitionsvereinbarung von 1998 formuliert. Sie hatte damit die Politik der Exportinteressen ändern wollen, die ihre Vorgänger betrieben hatten – ohne sich von einem dritten Kriterium allzu weit zu entfernen, das die sozialdemokratische Entspannungspolitik seit den 60er-Jahren kennzeichnete: politische Stabilität.
Die Verpflichtung zu einem an politischer Moral orientierten deutschen Auftritt in der Welt ist vom ideologischen Diskurs der Neokonservativen in den USA nicht weit entfernt. Auch sie treten für eine wertegeleitete Ausrichtung der Außenpolitik ein. Mit einem Unterschied: Ihre Bereitschaft, deswegen Krieg zu führen, liegt viel höher, der Wert von „Stabilität“ deutlich niedriger. Sie definieren eine erzwungene „Demokratisierung“ höher, weil sie dazu militärisch in der Lage sind – für Deutschland und die EU eine indiskutable Option. Menschenrechte stellen für die zivilisierte Welt den höchsten Wert dar, sie sind die beste Definition der Prinzipien des Zusammenlebens. Doch sie sind vom Zweck zum Mittel der Politik geraten – auf beiden Seiten des Atlantiks und des politischen Spektrums. Was sich Regierung und Opposition gestern an alten Zitaten aus Zeiten anders verteilter Rollen vorhielten, dokumentiert dieses Missverhältnis.
Nicht einmal in der Regierung gibt es ein gemeinsames Verständnis darüber, ob das Waffenembargo gegen China nun ein Instrument ist, mit dem Fortschritte bei Menschenrechten erreicht werden können, oder ein Hindernis auf ebendiesem Weg – falls der Kanzler diese Fragen nicht ohnehin für nebensächlich hält. Die Opposition ist keineswegs glaubwürdiger. Bleibt die Frage, warum die Welt eigentlich irgendein Interesse daran haben sollte, diesem Deutschland auch noch einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat anzutragen.
BERND PICKERT