kommentar : Visa-TV: Behauptungen, überzeugend vorgetragen, zählen mehr als Beweise
Welche Befürchtungen und Hoffnungen sich an die erste TV-Übertragung aus einem Untersuchungsausschuss geknüpft haben mögen – sie wurden nicht bestätigt. Kameras haben die sachliche Atmosphäre einer Sitzung nicht verändert, der ohnehin nur zu folgen vermochte, wer sich in der Materie auskennt. Zu Publikumsmagneten werden solche Sendungen nicht werden, allenfalls können sie Journalisten die Arbeit erleichtern. Das lohnt nicht die Mühe einer demokratietheoretischen Betrachtung, zu welchem Ergebnis sie auch kommt.
Inhaltlich sind keine Sensationen zu vermelden. Ludger Volmer war, wie man ihn kennt: an seinem Image interessiert, rhetorisch gewandt, geübt in der Kunst der Vermeidung. Gelegentlich etwas allzu geübt. Er erweckte den Eindruck, Beamte informierten manche Würdenträger nur im Glücksfall über Vorgänge, die in ihren Arbeitsbereich fallen. Das ist kühn.
Volmer betonte, an der Formulierung eines Textes nicht selbst mitgewirkt zu haben, den er gebilligt hat. Er wies außerdem darauf hin, dass er Beamten gegenüber nicht weisungsberechtigt gewesen sei. Was wollte er damit eigentlich ausdrücken? Dass die Beamten subversiv gehandelt haben? Oder dass die Visa-Reform anders umgesetzt wurde, als von ihm gewünscht? So weit ging er denn doch nicht. Im Kern und im Prinzip findet er immer noch alles richtig, was getan wurde. Und was er getan hat.
Aber wusste er denn stets, was er tat? Volmer und der FDP-Abgeordnete Hellmut Königshaus stritten darüber, wie man angesichts des nigerianischen Bürgerkrieges mit Visa-Begehren vor Ort umzugehen hatte. Eine solche Frage ist durchaus berechtigt – wenn denn zu dem entsprechenden Zeitpunkt ein Bürgerkrieg herrscht. Da dies jedoch in Nigeria nicht der Fall war, wirkte die Kontroverse zwischen den offenkundig gleichermaßen ignoranten Kontrahenten nur surreal.
Behauptungen, überzeugend vorgetragen, zählen mehr als Beweise. Zumal dann, wenn sich die Beweise nicht erbringen lassen. Ludger Volmer ließ durchblicken, eine liberale Visa-Politik sei geeignet, das Problem der Zwangsprostitution zu mindern. Andere Experten sind gegenteiliger Ansicht. Über unstreitiges, belastbares Zahlenmaterial verfügt – der dunklen Natur der Sache nach – keine Seite. Was bedeutet: Alle dürfen glauben, was sie glauben wollen. Das wirft ein Licht darauf, wie der Ausschuss ausgehen wird. Wie das Hornberger Schießen. BETTINA GAUS