kein koffer in madrid von RALF SOTSCHECK :
Manche Menschen sind einfach nicht reisetauglich. Ob Flugzeug, Bahn oder Bus – Áine und ich haben alles schon verpasst. Und wenn wir es doch auf den letzten Drücker geschafft hatten, gab es meist Probleme mit dem Gepäck. Diesmal war es nicht anders. Áines Koffer war nicht in Madrid angekommen. Als er drei Tage nach unserer Rückkehr wieder in Dublin auftauchte, stellte sich heraus, dass er auf eigene Faust nach Budapest und Wien gereist war. Mit der Rückkehr ging es allerdings nicht glatt.
In Anbetracht unserer schlechten Erfahrungen waren wir ungewöhnlich früh zum Madrider Flughafen aufgebrochen und standen bereits anderthalb Stunden vor dem Abflug an der Sicherheitskontrolle. Der Beamte an der Durchleuchtungsmaschine war nicht zufrieden. Er entdeckte zwei Flaschen in meinem Rucksack. Eine war voller Wasser, die andere nicht: Ich hatte den Rest des Weins vom Vorabend in eine Plastikwasserflasche umgefüllt. Ein halber Liter leckerer Rioja sollte für den zweistündigen Flug ausreichen, hoffte ich. An Bord hätte ich dafür 13 Euro hinblättern müssen. Es seien aber nach den neuen Sicherheitsbestimmungen höchstens 100 Milliliter erlaubt, erklärte mir der Beamte. Kein Problem, antwortete ich, trank vier Fünftel des Weins und wollte die Flasche wieder einstecken. Daraus wurde nichts. Es komme nicht auf den Inhalt an, meinte der Beamte, sondern auf die Größe der Flasche. So trank ich auch den Rest aus und deponierte die leere Weinflasche und die volle Wasserflasche in dem dafür vorgesehenen Container.
In diesem Augenblick ahnte ich, dass ich möglicherweise einen Fehler gemacht hatte: Ich hatte innerhalb von drei Minuten einen halben Liter Wein getrunken. Etwas benommen stieg ich in die Bahn zu unserem entlegenen Flugsteig. Dort angekommen stellte ich fest, dass ich meine Jacke mitsamt Ausweis bei der Sicherheitskontrolle vergessen hatte.
Sofort kam die gewohnte Ihr-Flug-ist-schon-weg-Panik auf. Warum fuhr der Zug auf der Rückfahrt viel langsamer als zuvor? Die Frau am Informationsschalter war nicht sonderlich hilfreich. Den Flug können wir vergessen, riet sie uns, es gebe keinen direkten Weg zum Sicherheitsbereich. Und einen indirekten? Da müsse man durch die Gepäckhalle zum Ausgang und wieder von vorne anfangen. Immerhin, eine Chance. Die Passagiere in der Warteschlange machten in Anbetracht unserer schweißgebadeten Gesichter respektvoll Platz. Die erneute Sicherheitskontrolle ging glatt, da die gefährlichen Plastikflaschen bereits konfisziert waren. Aber von meiner Jacke keine Spur.
Nachdem er uns eine Weile beobachtet hatte, kam der Oberaufseher mit dem gesuchten Kleidungsstück aus seinem Büro, wollte es aber erst aushändigen, nachdem ich mich ausgewiesen hatte. Der Ausweis sei in der Jacke, erklärte ich ihm. Er ließ mich an die Innentasche, während er die Jacke festhielt. Das Flugzeug sollte gerade fahrplanmäßig starten. Aber es war verspätet. So gelangten wir doch noch fix und fertig auf unsere Sitzplätze neben einem frisch geduschten jungen Mann, der drei Stunden zuvor entspannt eingecheckt hatte. Die Lust auf Wein war mir vergangen. Wenigstens habe ich dadurch 13 Euro gespart.