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Archiv-Artikel

kabinenpredigt Konjunktur der Schrumpfkuren

Es scheint kein Entkommen zu geben. Sie dringt überall vor. Selbst Königs Wusterhausen hat sie schon erreicht. Die internationale Finanzkrise. So war es vor einigen Wochen in einer Berliner Zeitung zu lesen. Und damit war nicht das Rathaus, das Herz der brandenburgischen Kleinstadt südlich von Berlin, gemeint. Nein, die erste Herrenmannschaft des Volleyball-Bundesligisten Netzhoppers Königs Wusterhausen war es, deren Budget laut der Nachricht unmittelbar durch das Platzen der globalen Spekulationsblasen in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Im Umkehrschluss kann das eigentlich nur bedeuten: Die internationale Finanzkrise hat nun auch den gesamten Profisport fest im Würgegriff. Aber weit gefehlt. Das ist das Erstaunliche: Königs Wusterhausen war erst der Anfang. Die Krise breitet sich womöglich von der Peripherie her aus. In Berlin ist von ihr noch kaum etwas zu spüren.

Noch immer klatschen und kreischen sie hier in immer größer werdenden Massen. Wegen des neu erbauten überdimensionalen Vergnügungspalasts am Ostbahnhof boomt die Sportbranche wie nie zuvor. Das macht die Manager in der Stadt ganz kirre. Alle scheinen zu glauben, dass sich das Sportpublikum wie die Karnickel von selbst vermehrt. Es grassieren ungebremste Wachstumsfantasien – der internationalen Finanzkrise zum Trotz.

Auch bei Hertha faselte man unlängst noch von einem neuen Stadion und viel mehr Zuschauern. Doch seit Anfang dieser Woche hat auch der Berliner Sport sein Königs Wusterhausen. Hertha muss sparen. Der bereits vom Manager Dieter Hoeneß ausgearbeitete Vertrag mit dem Brasilianer Junior César wurde auf Beschluss des Präsidiums zurückgezogen. Man müsse wegen der künftig geringeren Fernseheinnahmen und weiteren Auswirkungen der internationalen Finanzkrise maßhalten, sagte Präsident Werner Gegenbauer.

Haben jetzt Schrumpfkuren Konjunktur? Kehren Alba und die Eisbären wieder heim in ihre bescheidenen Hütten und überlassen die Arena am Ostbahnhof André Rieu und Howard Carpendale und anderen Weltattraktionen? So weit wird es gewiss nicht kommen, aber die zu zuversichtlichen Wachstumsprognosen müssen korrigiert werden. Die Sponsoren aus der Wirtschaft werden ihr Engagement höchstwahrscheinlich mindern. Die Vereine bekommen das bald zu spüren. JOHANNES KOPP