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Archiv-Artikel

kabinenpredigt Sollen die Bayern ruhig kommen

Teuflisch kaltblütig ist sie, diese Hertha. So auch in Bielefeld. Erste Chance, ein Schuss, ein Tor. In der 13. Minute natürlich. Zwar lief nach dem Treffer von Andrej Voronin – wie so häufig – nicht mehr viel zusammen, und das 1:1-Unentschieden reichte am Ende nicht zur Tabellenführung. Dennoch bestaunte Bielefelds Trainer Michael Frontzeck respektvoll das Gästeteam. Die Berliner stünden zu Recht da oben, sagte er. Und wenn man sich dann noch die vielen Verletzten dazu denken würde … Wahrlich, man mag es sich kaum ausdenken.

Schon Frankfurts Trainer Friedhelm Funkel sprach vor gut einer Woche ehrfürchtig vom Meister der Effektivität. Die Zahl der Hertha-Bewunderer steigt von Spieltag zu Spieltag. Und in fünf Tagen, die lokale Medienhysterie ist bereits in vollem Gange, kommt auch noch der Rekordmeister Bayern München. Diese Partie wird nicht nur von den Berlinern für etwas Besonderes gehalten.

Bayerns Trainer Jürgen Klinsmann ist gewarnt. Gut möglich, dass er sich für dieses Gipfeltreffen auf die besonders erfolgreichen Kabinenansprachen seiner Karriere besinnt. Vielleicht überarbeitet er seine republikweit bekannte Brandrede, gehalten damals während der „Sommermärchen-WM“ vor dem Polenspiel. „Die Deutsche Meisterschaft“, wird er dann nächste Woche brüllen, „lassen wir uns nicht nehmen, von niemandem, schon gar nicht von der Hertha.“ Und er wird sein Team auffordern: „Ihr müsst brutal zuschlagen. Die knallen wir durch die Wand.“

Ganz anders hat man sich das Szenario in der Berliner Umkleide vorzustellen. Der coole Hertha Coach Lucien Favre wird schlichtweg dasselbe sagen wie vor dem Spiel gegen Arminia Bielefeld: „Ja, Bayern München hat Qualität. Aber es ist egal, ob wir gegen den Letzten oder gegen einen Meisterkandidaten antreten. In der Bundesliga ist jedes Spiel eng.“

Wie Favre haben auch seine Profis erkannt: Es gibt keine Großen mehr in der Bundesliga. Ein Team aus Weltstars wie Luca Toni, Franck Ribéry und Lucio muss man nicht ernster nehmen als Bielefeld. Das spricht nicht für den taktischen Reifegrad der gut besetzten Mannschaften. Wenn man es einmal gemerkt hat, hat man die nötige Gelassenheit, um überall zu punkten. JOHANNES KOPP